Freitag, 29. September 2023

Gruber, Andreas - Rachefrühling (W. Pulaski, 4)

Über den Autor

Andreas Gruber wurde 1968 in Wien geboren. Er studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien und arbeitete als kaufmännischer Angestellter in einem Teilzeitjob.
1996 begann er mit dem Schreiben und war 1999 mit einer Kurzgeschichte Preisträger des NÖ Donaufestivals. Er schreibt in den Genres Thriller, Phantastik und Jugendliteratur.
In seiner Freizeit gibt Andreas Gruber Schreibworkshops, ist begeisterter Kinogeher, reist viel, spielt leidenschaftlich gern Schlagzeug und wartet bis heute vergebens auf einen Anruf der Rolling Stones.
Andreas Gruber lebt als freier Autor mit seiner Frau, seinem Sohn und fünf Katzen in Grillenberg in Niederösterreich.
(Stand: 2023)


Rachefrühling

Ausgabe: Taschenbuch mit Klappentext (09/23; 608 S.)

 

 
4 / 5 ⭐️

Wenn man Gleiches mit Gleichem vergelten will

Der vierte Fall für den Dresdner Kriminalhauptkommissar Walter Pulaski und der Wiener Strafverteidigerin Evelyn (Spitzname Lynnie) Meyers. Mit diesem vierten Band aus der Walter Pulaski-Reihe endet die »Rache«-Tetralogie.

Gleich zu Beginn im Prolog wird Spannung aufgebaut. So möchte ich in einen spannenden Thriller einsteigen.


Live-Podcasts werden vom Tonstudio eines Radiosenders ausgestrahlt und der True Crime-Podcaster Martin Kilian (Anm.: Es handelt sich nicht wirklich um True Crime, die Berichterstattung ist fiktiv) berichtet darin über unaufgeklärte Verbrechen. Diese Podcasts werden im Verlauf des Buches detailliert beschrieben. Bei späteren Recherchen von Pulaski und Meyers fällt auf, dass alle Verbrechen in einem Frühjahr in verschiedenen Jahren begangen worden sind.

Vor sechs Jahren starb Kilians kleine Tochter Viktoria mit drei Jahren während einer OP in der Wiener Bormann-Klinik. Die OP wurde von Fr. Dr. Aleyna Al-Rashid durchgeführt und Kilian gab ihr die Schuld daran, dass seine Tochter gestorben ist. Damals ließ er sich zu einer unbedachten Äußerung gegenüber der Ärztin hinreißen.

Da die Ärztin jetzt ermordet wurde, wird Kilian mit dem Mord in Verbindung gebracht und da die Indizien gegen ihn sprechen, wird er von der Polizei verhaftet und gelangt in U-Haft.

Ein Araber namens Kamal Qasem reist mit seinen Bodygards nach Österreich, weil er den Mord an seiner Tochter Dr. Aleyna Al-Rashid rächen will. Auf dessen Wunsch hin übernimmt die Wiener Strafverteidigerin Evelyn Meyers die Mandantschaft von Kilian, weil Qasem nicht daran glaubt, dass Kilian der Mörder ist.

Mit einem Theaterstück namens »Rachefrühling« ist die Lösung des Falles indirekt verbunden und Rache ist der ausschlaggebende Faktor.

Starke Figurenzeichnung mit unterschiedlichen Charakteren zeichnet diesen Thriller aus. Beispielsweise haben mir die immer wieder auftauchenden Dialoge zwischen Staatsanwalt Ostrovsky und der Strafverteidigerin Meyers gefallen. Beides Koryphäen in ihrem Fach mit gegenseitiger Wertschätzung und vor Gericht erbitterte Gegner.

In diesem Buch erfährt man einiges über das österreichische Justizwesen, das sich doch wesentlich von deutschen Gerichtsverfahren unterscheidet. Leider gab es in diesem Buch keinen Bezug zu einer Verhandlung.

Zwei Punkte haben mir in dem Plot nicht gefallen. Zum einen ebbte die Spannung nach dem verheißungsvollen Auftakt im Prolog wieder ab, bevor ab dem zweiten Drittel des Buches sich ein Spannungsbogen aufbaut, der letztlich mit einem Finale Furioso endet. Zum zweiten ist das Verhalten von Qasem für mich nicht nachvollziehbar, da es keinen Hinweis darauf gibt, warum für Qasem die Freilassung von Kilian aus der Untersuchungshaft wichtig ist.

Mit der Beendigung der Pulaski-Reihe hat Andreas Gruber eine neue Action Thriller Serie angekündigt: Am 01. März 2024 erscheint Last Line Of Defense – Der Angriff.

 

Fazit:

Andreas Gruber hat eine klare Vorstellung darüber, wie er seine Thriller-Serien aufbaut. Dazu gehören neben dem einleitenden Prolog und dem abschließenden Epilog einzelne Abschnitte mit relativ kurzen Kapiteln. Das macht Sinn, wenn die Handlungsstränge wechseln, und der Autor hat es sehr gut umgesetzt. Das ist mir wichtig und steigert meinen Anreiz, zügig weiterzulesen.
Er hat ein Faible für skurrile Ermittler oder solche mit Handicap. Egal, ob es sich dabei um den hinkenden Wiener Privatdetektiv Peter Hogart handelt, den narzisstischen und Marihuana rauchenden BKA-Profiler Maarten S. (Somerset) Sneijder oder wie in diesem Buch um den Leipziger Kommissar Walter Pulaski, ein meist übel gelaunter und asthmakranker Zyniker, der zu viel raucht und literweise schwarzen Kaffee trinkt.
Ich habe schon einige Bücher aus den Thriller-Reihen des Autors gelesen. Für meinen Geschmack waren die Bücher aus der Peter-Hogart-Reihe die Besten, sowohl bezogen auf den Handlungsablauf als auch auf den Spannungsbogen. Für meine zuvor angesprochenen Kritikpunkte muss ich leider einen Stern abziehen.

Freitag, 22. September 2023

Grisham, John - Der Verdächtige

Über den Autor

John Grisham ist Jahrgang 1955. Während College- und Studienzeit war er ein begeisterter Baseballspieler. Beruflich war der studierte Rechtswissenschaftler lange Jahre als Anwalt und Strafverteidiger tätig.
Grisham ist strenggläubiger Baptist und reiste mehrfach mit Vertretern seiner Gemeinde nach Brasilien, um in religiösen und karitativen Einrichtungen zu helfen.
Er lebt zusammen mit seiner Ehefrau Renée und den beiden Kindern Ty und Shea auf einer Farm in Oxford, Mississippi, und einer Plantage in der Nähe von Charlottesville.
(Stand: 2023)


Der Verdächtige

Ausgaben: Gebundenes Buch (04/22; 416 S.); Taschenbuch (07/23; 432 S.)


3 / 5 ⭐️

Dem »Rächer« auf der Spur
 

Von Beginn an fokussiert sich die Handlung auf eine bestimmte Person - so suggeriert es uns schon der Titel des Buches. Doch ist diese Person wirklich der gesuchte Mörder? Das gilt es im Laufe der Ermittlungen herauszufinden.

Jeri Crosby ist Afroamerikanerin, 46 Jahre alt, geschieden, eine Tochter. Sie ist Professorin für Politikwissenschaften an der University von South Alabama in Mobile.

Sie wendet sich an das Board on Judicial Conduct mit einem ungeheuren Verdacht. Das BJC befasst sich als Berufsaufsicht für standeswidriges Verhalten von Richtern. Sie beschuldigt einen hoch angesehenen und anscheinend integren Richter, der seit 10 Jahren im Amt ist und vor über 20 Jahren ihren Vater umgebracht haben soll.

Während das BJC in dem vorliegenden Roman eine fiktive Einrichtung ist, gibt es in Florida seit 1968 die Judicial Qualifications Commission, die sich mit standeswidrigem Verhalten von Richtern befasst.

Ihre unmittelbare Ansprechpartnerin beim BJC ist die Anwältin Lacy Stoltz. Nach und nach nennt sie Einzelheiten zu ihrer »Beweiskette«. Der Angeschuldigte soll noch mehr Morde im Laufe der Jahre begangen haben. Was sind die Beweggründe für die Taten? Leider gibt es keine Beweise, sondern lediglich Indizien.

Soll das BJC Ermittlungen aufnehmen, muss Jeri Crosby offiziell eine schriftliche Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Obwohl sie in ständiger Angst lebt, dass der Gesuchte sie entdecken könnte, entscheidet sie sich zu diesem Schritt unter Wahrung ihrer Anonymität.

Der gesuchte Mörder ist ein Soziopath (geringe Empathie, fehlendes Schuldbewusstsein). Er hat einen gewissen Status, Bildung, Geld und ist beliebt. Das hebt ihn ab von den »normalen« Serienmördern. Jeder weitere Mord gibt ihm mehr Selbstvertrauen, es verleiht ihm einen gewissen Nervenkitzel. Serienmörder hören nie auf mit dem Morden, es sei denn, sie werden von der Polizei gefasst oder getötet. So jedenfalls charakterisiert Grisham den gesuchten Mörder.

Der Gesuchte ist auch paranoid und narzisstisch veranlagt. Ob er ein traumatisches Kindheitserlebnis hatte – wie es oft bei einer solchen Art von Mördern der Fall ist - kann man nur vermuten.

 

Fazit:

»Der Verdächtige« ist in Form eines Romans geschrieben. Jeri Crosby treibt die Ermittlungen durch ihre eingehenden Recherchen voran.
Der Autor lässt schon früh durchblicken, um wen es sich bei dem Verdächtigen handelt. Das nimmt dem Buch den Spannungsbogen. Es geht vordergründig um die Frage, ob der Verdächtige überführt werden kann.
Mehr oder weniger belanglose Passagen werden in den Plot integriert. Dazu gehören u.a. ein Treffen des vermeintlichen Serienmörders mit einer Bekannten über insgesamt elf Seiten Text. Das ist mir zu ausführlich.
Im Gegensatz dazu stehen die Erklärungen, warum die einzelnen Opfer sterben mussten und wie. Das hat der Autor wiederum sachlich und zügig beschrieben.
Ein Pageturner ist dieses Buch mit Sicherheit nicht. Aber es ist solide geschrieben und einige Spannungsmomente sind durchaus vorhanden. Ich vergebe 3 Sterne.

Freitag, 8. September 2023

Strobel, Arno - Der Trip

Über den Autor

Arno Strobel wurde 1962 in Saarlouis geboren, studierte Versorgungstechnik und wechselte dann in die Informationstechnologie. Nach einigen Jahren Selbstständigkeit als IT-Unternehmensberater war er bis 2014 in Luxemburg mit der IT-Projektdurchführung einer großen deutschen Bank betraut, insbesondere im Bereich Internet und Intranet. Seit Februar 2014 ist er nur noch als freiberuflicher Autor tätig. Mit dem Schreiben begann er erst im Alter von fast vierzig Jahren. Seine Thriller sind wie spannende Entdeckungsreisen zu den dunklen Winkeln der menschlichen Seele. Seine Themen spürt er meist im Alltag auf und erst, wenn ihn eine Idee nicht mehr loslässt, ist der Grundstein für seinen nächsten Roman gelegt.
Arno Strobel hat drei Kinder und lebt mit seiner Partnerin als freier Autor in der Nähe von Deutschlands ältester Stadt Trier.
(Stand: 2023)

 

Der Trip

Ausgabe: Paperback mit Klappentext (08/23; 352 S.)

 

3 / 5 ⭐️

Die Suche nach einem Phantom
 

Fabian und Isabel Jancke starten in einem Wohnmobil Richtung Süden mit dem Ziel Frankreich. Ein Wildunfall mit einem Reh verhindert die Weiterfahrt. Das Fahrzeug ist daraufhin fahruntauglich. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein Abschleppwagen auf und bietet Hilfe an. Danach wird es diffus und die Spur verliert sich. Ich hätte mir mehr Klarheit zu diesem Szenario gewünscht, auch wenn es erst im späteren Verlauf des Buches geschehen wäre.

Es erfolgt ein Schnitt und es vergehen zwei Jahre.  Evelyn Jancke, die Schwester von Fabian, will sich nicht damit abfinden, dass ihr Bruder nicht mehr am Leben ist. Zu diesem Zeitpunkt werden Menschen auf Campingplätzen in Norddeutschland ermordet. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte und Motive. Deshalb bittet die Polizei Evelyn um ihre Mitarbeit, da sie von Berufs wegen forensische Psychologin ist.

Wenn die Kapitel in Kursivschrift gehalten sind, erfährt man einiges aus der Sicht des Täters, ohne daraus Rückschlüsse ziehen zu können.

Bei einem weiteren versuchten Angriff auf einen Camper kann ein zufällig vorbeikommender Passant den Täter in die Flucht schlagen und die Polizei kann mit Hilfe des Opfers ein Phantombild erstellen. Dieses Phantombild erinnert an Fabian, wie er vor zwei Jahren ausgesehen hat. Obwohl sich Evelyn nicht sicher ist, glaubt sie auf dem Bild Ähnlichkeit zu ihrem Bruder zu erkennen. Aber warum sollte dieser liebenswerte Mensch plötzlich zum Mörder werden?

Bei den polizeilichen Ermittlungen kreuzen sich die Wege von Kriminalkommissar Gerhard Tillmann und Evelyn Jancke. Beide waren einst liiert und sind mittlerweile nur noch Freunde. Des Öfteren betont Gerhard Evelyn gegenüber, dass er für sie da ist und sie unterstützen will. Zwischen Gerhard und Evelyn entstehen des Öfteren geistige und emotionale Konflikte. Und er ist nicht ehrlich zu ihr. Was bezweckt er wirklich mit seinem Verhalten? Das bleibt zunächst im Unklaren.

Evelyn betreut in einem Fall einen Frauenmörder im Gefängnis. Auch diese Gespräche zwischen ihr und Nils Kleinbauer gestalten sich schwierig, weil dieser ständig versucht, die forensische Psychiaterin zu provozieren. So möchte ich beim Lesen von einem Psychothriller inspiriert werden. Davon hätte es mehr geben können.

Nachdem die Handlungen über zwei Drittel des Buches einen breiten Raum einnehmen, kommt es zum Ende hin plötzlich in einem schnellen Tempo zur Auflösung. Einen kontinuierlichen Spannungsaufbau konnte ich nicht erkennen. Das passt irgendwie nicht und das finde ich schade.

 

Fazit:

Das Cover ist anspruchsvoll gestaltet mit dem ausgestanzten Loch in der Mitte mit Sicht auf ein Wohnmobil. Was hat das Fadenkreuz zu bedeuten? Dass das Wohnmobil im Fadenkreuz der Ermittlungen steht oder dass eine Waffe mit Zielfernrohr auf das Wohnmobil gerichtet ist? Das hat mein Interesse geweckt.
Strobels bester Psychothriller ist das meines Erachtens nicht. Ich habe schon bessere Werke von ihm gelesen, ohne dieses Buch schlechtreden zu wollen. Es hat mit Sicherheit auch seine Stärken.
In einem Psychothriller ist der Konflikt, der sich zwischen den Hauptfiguren entfaltet, eher geistig oder emotional als physisch. Was ist Wahrheit und was ist Täuschung? Das hat der Autor sehr gut umgesetzt.
Etwas in kursivem Schreibstil hervorzuheben oder zu erläutern ist ein Stilelement, dem sich viele Autoren bedienen. Das gibt dem Leser einen besseren Einblick in die Handlung.
Zum Ende hin war mir der Cut zur Auflösung hin zu abrupt und subtil. Deshalb von mir nur 3 Sterne.

Mittwoch, 6. September 2023

Tsokos, Michael - Mit kalter Präzision (S. Yao, 1)

Über den Autor

Michael Tsokos, geboren 1967 in Kiel, ist Professor für Rechtsmedizin an der Berliner Charité. Seit 2016 leitet er das Institut für Rechtsmedizin der Charité und das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Seit 2014 ist er zudem Ärztlicher Leiter der ersten Berliner Gewaltschutzambulanz in Berlin-Moabit.
Außerdem ist er Botschafter des Deutschen Kindervereins. Er macht auf Kindesmisshandlung aufmerksam und tritt öffentlich gegen die Verharmlosung alltäglicher Misshandlungen ein.
Michael Tsokos ist mit seinen Büchern regelmäßig in den Bestsellerlisten Sachbuch und Belletristik zu finden.
(Stand: 2023)


Mit kalter Präzision

Ausgabe: Paperback mit Klappentext (09/23; 400 S.)

 

5 / 5 ⭐️

Ein fast perfektes Verbrechen

True Crime und knallharter Thrill. Das sind die Zutaten, die die Thriller von Prof. Dr. Michael Tsokos ausmachen. Authentische Rechtsmedizin, dass ist dem Autor wichtig. So auch in dem ersten Fall von Dr. Sabine Yao, der zierlichen Deutschchinesin, die man bereits aus der Fred-Abel-Reihe kennt.

Mittlerweile ist sie zur stellvertretenden Leiterin der Rechtsmedizin des BKA Berlin von ihrem Vorgesetzten Prof. Paul Herzfeld ernannt worden. Die Sondereinheit »Extremdelikte« versucht einen äußerst mysteriösen Fall mit Todesfolge aufzuklären.

Marion Kracht, die Frau des Schönheitschirurgen Prof. Dr. Roderich Kracht, wird tot im Schlafzimmer ihres Hauses in einer noblen Berliner Villengegend aufgefunden. Auf den ersten Blick sieht es wie Selbstmord aus. Durch die Lage des Opfers und die äußeren Umstände treten bei den Rechtsmedizinern allerdings schnell Zweifel an dem Suizid der Frau auf.

Prof. Kracht ist ärztlicher Leiter einer renommierten Berliner Schönheitsklinik namens Corpore Sano (Name fiktiv). Viele Frauen, deren Männer gehobene Positionen in Politik, Wirtschaft und Justiz innehaben, haben sich bereits in dieser Klinik behandeln lassen. Dadurch zieht der Fall schnell Kreise in der Öffentlichkeit. Kracht hat sich dadurch fast unangreifbar gemacht und kann zudem auf ein wasserdichtes Alibi verweisen.

Da die Ermittler und die Rechtsmedizin keine verwertbaren Beweise finden, recherchiert man nach vergleichbaren Fällen. Es gestaltet sich allerdings schwierig, im gesamten Bundesgebiet zu recherchieren. Zwar gibt es eine Datenbank des BKA (ViClas - Violent Crime Linkage Analysis System), in der die Todesfälle gespeichert sind und worauf auch die einzelnen Landeskriminalämter (LKA) Zugriff haben. Das Problem besteht allerdings darin, dass die einzelnen LKAs nicht untereinander vernetzt sind und somit keine unmittelbaren Vergleiche möglich sind.

Trotzdem gelingt es der IT-Expertin Sara Wittstock vom BKA, drei ähnlich gelagerte Fälle zu entdecken, die allerdings schon einige Jahre zurückliegen.

Es ist geschickt konstruiert, dass man einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Fällen vermutet. So ist es mir jedenfalls beim Lesen ergangen. Das hat den Spannungsbogen gesteigert und zum Weiterlesen inspiriert. Das erwarte ich von einem Thriller.

Sehr interessant fand ich auch die Passage, wie man eine Leichenstarre so manipulieren kann, dass die Rechtsmediziner bei der Bestimmung der Todeszeit zu einer falschen Beurteilung kommen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Täter/die Täterin gute Kenntnisse von der Rechtsmedizin haben muss und vielleicht sogar dort gearbeitet hat.

Die Charaktere der einzelnen Figuren sind mir durch die Beschreibungen mit all ihren Sorgen und Ängsten sehr plastisch erschienen. So auch die Angst um Yaos sechs Jahre jüngere Schwester Mailin. Die ist nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Mannes und der Misshandlung einer ihrer Zwillingstöchter psychisch so labil, dass sie in die psychiatrische Klinik in Sana Mente (Name fiktiv) eingeliefert und dort stationär behandelt wird. Dann unternimmt sie auch noch einen Selbstmordversuch. Der stellt sich im Nachhinein nicht als Parasuizid (Hilfeschrei) heraus, sie wollte wirklich aus dem Leben scheiden. Eine weitere Belastung für Yao, die ihre Schwester und ihre Nichten über alles liebt.

Eine weitere Erläuterung aus der Arbeit im Sektionssaal der Rechtsmedizin fand ich auch sehr interessant und wissenswert. Psychopharmaka sind ein großes Problem in unserer Gesellschaft. Bei über der Hälfte aller verstorbenen Suizidfälle werden während der Obduktion Antidepressiva, Neuroleptika, Tranquilizer, Sedativa und Psychostimulanzien nachgewiesen. Das macht mich sehr nachdenklich in Bezug auf unsere Gesellschaft.

 

Fazit:

Der Covereinband ist schlicht gestaltet und machte mich trotzdem sofort neugierig. Eines vorneweg, der blutige Skalpellschnitt soll lediglich einen Hinweis auf die Arbeit des Rechtsmediziners geben und steht nicht in unmittelbarer Verbindung zu den Taten.
Im vorderen Klappentext findet man die Vita von Dr. Sabine Yao. So was kennt man schon aus den Thrillern von Andreas Gruber. Das hat mir gut gefallen, so kann man sich einen ersten Eindruck von der Protagonistin verschaffen, um die es in erster Linie geht.
Wie bei seinen Büchern üblich, geht es bei den Thrillern von Dr. Tsokos um True-Crime-Fälle. Personen und Tatorte sind fiktiv, aber die Verbrechen sind wirklich geschehen.
Wer sich für Rechtsmedizin interessiert und insbesondere dafür, wie Rechtsmediziner arbeiten, ist hier genau richtig. Obwohl hier viele Fachausdrücke zur Sprache kommen und ausführliche Erklärungen folgen, hat mich dieser Thriller zu keiner Phase gelangweilt.
Ganz im Gegenteil, man kann sagen, dass man das Buch in einem durchlesen könnte, wen nicht noch andere »Verpflichtungen« auf einen warten würden. Für dieses Buch gibt es 5 Sterne von mir.

Freitag, 1. September 2023

Winkelmann, Andreas – Nicht ein Wort zu viel

Über den Autor

Andreas Winkelmann wurde 1968 in Niedersachsen geboren. Er studierte Sportwissenschaften, hat sein Geld als Bäcker, Soldat, Sportlehrer, Taxifahrer, Versicherungsfachmann und in einer Honigfabrik verdient, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete.
2007 erschien sein erster Roman »Der Gesang des Scherenschleifers«, seit 2011 ist er hauptberuflich als Autor tätig.
Wenn er nicht gerade in menschliche Abgründe abtaucht, überquert er zu Fuß die Alpen oder wandert am Polarkreis, fischt und jagt mit Pfeil und Bogen in der Wildnis Kanadas oder fährt mit dem Fahrrad durch Skandinavien.
Er ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt mit seiner Familie in einem über vierhundert Jahre alten Haus am Waldesrand nahe Bremen.
(Stand: 2023)


Nicht ein Wort zu viel

Ausgabe: Taschenbuch (06/23; 400 S.)


4 / 5 ⭐️

Bücherjunkies und andere Nerds


Zu Beginn des Buches wird sofort Spannung aufgebaut. Ein Mann sitzt gefesselt auf einem Stuhl und kann sich nicht bewegen. Handlungssprung: Ein Polizeieinsatz zur Ergreifung eines Straftäters läuft aus dem Ruder. Damit hat der Autor die Messlatte ziemlich hoch angelegt und es fällt schwer, diese Spannung zu halten.

In diesem Thriller spielt Literatur eine Rolle, genauer gesagt Spannungsliteratur. Bücher bzw. deren Inhalte sind mit den einzelnen Handlungen in Einklang gebracht. Der Täter oder die Täterin scheint sich in der Welt der Bücher auszukennen.

Entführungen (ein Beispiel davon s. 1. Absatz) werden als Video an eine Insta-Gruppe mit Bücherjunkies gepostet. Warum an diese Gruppe, wo besteht hier eine Verbindung? Sie sollen dem Täter oder der Täterin eine spannende Geschichte mit nur fünf Wörtern erzählen, damit die Opfer am Leben bleiben. Die Verbreitung der Gewalt mit geposteten Videos ist in der Thrillerszene allerdings nicht neu.

Mit der Tätersuche sind zwei Polizeibeamte betraut, die eigentlich selbst Hilfe benötigen. Der eine, Kriminalkommissar Simon Schierling, leidet unter dem Verlust seines kleinen Sohnes. Jaroslav (Jaro) Schrader ist normalerweise Zielfahnder und wurde aufgrund einer missglückten Ermittlung (s. 1. Absatz) zur Kripo abgeordnet. Eine Stimme in seinem Gehirn sagt ihm, was er tun oder lassen soll. Diese immer wiederkehrenden Synapsen beeinträchtigen ihn in seinen Ermittlungen. Zudem soll er wegen des missglückten Einsatzes und der damit verbundenen Verdächtigungen eines Kollegen Therapiegespräche mit der Polizeipsychologin Aylin Coban aufnehmen.

Der Autor lässt die beiden Polizisten in verschiedene Richtungen ermitteln und präsentiert dem Leser dabei mehrere Verdächtige. Rache könnte ein Motiv sein. Das finde ich ganz geschickt gemacht von Winkelmann, um so die Spannung aus dem Einstieg des Buches einigermaßen aufrecht zu halten. So bleibt fast bis zum Ende hin unklar, wer hinter den Verbrechen steckt.

 

Fazit:

Verschiedene Themen werden angerissen, aber nicht vertieft. Dazu zählen Empathie sowie Empathielosigkeit, der Verlust eines geliebten Menschen im näheren Umfeld, psychologische Aspekte, gleichgeschlechtliche Liebe.
Das Cover gefällt mir nicht, was aber eine rein subjektive Ansicht ist.
Winkelmann bedient sich des Öfteren eines stilistischen Mittels, um den Leser zum Weiterlesen anzuhalten: Ein Cliffhanger am Ende eines Kapitels, um den Faden erst später wieder aufzunehmen. Das hat mir sehr gut gefallen. Alles in allem lege ich mich auf 4 von 5 Sternen fest.