Montag, 21. August 2023

Zeh, Juli/Urban, Simon – Zwischen Welten

Über die Autoren

Juli Zeh - (bürgerlich Julia Barbara Finck) wurde 1974 in Bonn geboren. Sie hat in Passau und Leipzig Jura studiert, in Europa- und Völkerrecht promoviert. Im Jahr 2018 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz und wurde zur Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt.
Schon ihr Debütroman »Adler und Engel« (2001) wurde zu einem Welterfolg. Ihr Roman »Über Menschen« war das meistverkaufte belletristische Hardcover des Jahres 2021.
Zehs Romane Schilf (2011 adaptiert) und Spieltrieb (2014) wurden erfolgreich verfilmt.
2013 wurde sie mit dem Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet sowie 2019 mit dem Heinrich-Böll-Preis.
(Stand: 2023)

Simon Urban - wurde 1975 in Hagen geboren. Er hat Germanistik, Komparatistik (Teilbereich der Literaturwissenschaft)  und Philosophie in Münster studiert.
2011 veröffentlichte er den Roman »Plan D«, in dem die DDR noch heute existiert. Er wurde bisher mit zahlreichen Literaturpreisen und Kreativawards wie Cannes-Löwen und dem Clio-Grand Prix ausgezeichnet. Für die ARD schrieb er die Erzählvorlage zum Spielfilm »Exit« (2020). 2021 wurde er mit seinem Roman »Wie alles begann und wer dabei umkam« mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet. Er gehört zweifellos zu den großen, mutigen Erzähltalenten.
(Stand: 2023)


Zwischen Welten

Ausgabe: Gebundenes Buch (01/23; 448 S.)



5 / 5 ⭐️

Gekämpft und verloren
 

Dieser Roman mit aktuellen Themen der Gesellschaft ist meines Wissens die erste gemeinsame Arbeit von Juli Zeh und Simon Urban.

Dabei liegt die Vermutung nahe, dass Juli Zeh die weibliche Rolle der Theresa geschrieben hat und Stefan Urban für die Rolle von Stefan verantwortlich zeichnet.

Die Protagonisten sind Stefan Jordan, 46 Jahre alt, Kulturchef bei der Hamburger Wochenzeitung DER BOTE (Name fiktiv), ledig, keine Kinder und Theresa Kallis, 43 Jahre alt, Landwirtin und Vorstand der »Kuh & Co. Schütte e.G.«, eigentlich glücklich verheiratet, 2 Kinder (Jonas, 8 Jahre und Phil, 10 Jahre).

Vor zwanzig Jahren haben beide zusammen zu Studienzeiten in einer WG in Münster gelebt – als Freunde, ohne eine partnerschaftliche Beziehung. Danach haben sich ihre Wege getrennt. Plötzlich laufen sie sich in Hamburg über den Weg und beschließen, ihre »Beziehung« per E-Mail und WhatsApp wieder aufleben zu lassen.

Die Kommunikation zwischen Stefan und Theresa ist genau betrachtet wie eine Fieberkurve. Es bauen sich immer wieder Spannungen auf, die nur langsam wieder abnehmen. Eigentlich reden beide meistens aneinander vorbei. Zu groß klaffen die Welten zwischen dem Investigativ-Journalismus in Hamburg (Stefan) und dem tristen Landleben auf einem Bauernhof in Brandenburg (Theresa) auseinander.

Es hat mir gut gefallen, wie sich der Roman neben der normalen Handlung auf aktuelle Themen fokussiert (Klimakatastrophe, Corona, Fridays for Future, Greta Thunberg, Überfall auf die Ukraine durch Russland).

Dazwischen auflockernde Kommentare, beispielsweise zur kulturellen Vermischung (Zitat Theresa: Müssen wir bald zu Pizza »germanischer Fladen mit variablem Belag sagen«).
 
Sowohl in der Redaktion als auch auf dem Bauernhof geschehen unvorhersehbare Ereignisse, die existenziell sind.

Je länger ich gelesen habe, umso mehr hat mich das Buch in seinen Bann gezogen. Ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Stefan und Theresa weitergeht. Ich konnte zu keinem Zeitpunkt Langeweile verspüren.

 

Fazit:

Den Schwan auf dem Cover kann man als Metapher deuten. (Zitat Stefan per WhatsApp: Hast du dein Telefon vor Wut in die Außenalster geworfen, und ich schreibe gerade einem Schwan?).
In dem Buch reihen sich E-Mail, WhatsApp und andere Messenger-Dienste zwischen den beiden Protagonisten aneinander. So etwas ähnliches kennt man aus den Werken von Daniel Glattauer (»Gut gegen Nordwind« oder »Alle sieben Wellen«). Wenn auch dort die Kommunikation lediglich per E-Mail stattfindet.
Stefan und Theresa erzählen jeweils in der Ich-Form. Bei anderen Personen erzählen sie aus ihrer Sichtweise deren Tun und Handeln.
Das ständige Gendern von Stefan finde ich nervig und es muss aus der grammatikalischen Sicht  m.E. auch nicht sein.
Allerdings gibt es darüber sehr unterschiedliche Meinungen und fließt daher nicht in meine Bewertung ein.
Ein nachdenklich stimmender, sehr guter Roman. Ich lege mich auf 5 Sterne fest.

1 Kommentar:

Tobias Kallfell hat gesagt…

Das klingt wirklich sehr interessant, ich musste bei deiner Beschreibung der Textsorten auch sofort an Glattauer denken. Klingt nach einem reizvoll gestalteten Beziehungsverhältnis, gespickt mit gesellschaftspolitische relevanten Themen. Gefällt mir. VG

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