Montag, 28. Juli 2025

Faber, Henri – Locked in

Über den Autor

Henri Faber, Jahrgang 1986, aufgewachsen in Niederösterreich, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft und lebt als Autor und Texter in Hamburg. Nach seinen Bestsellern »Ausweglos«, »Kaltherz« und »Gestehe« ist dies sein vierter Thriller. In einer Ankündigung von Faber selbst ist zu lesen, dass »Locked in« höchstwahrscheinlich das letzte Buch ist, was von ihm erschienen ist.
(Klappentext © dtv Verlagsgesellschaft München, 2025)


Locked in


Kategorie: Thriller – Heidelberg
Erstausgabe: Paperback (05/25; 416 S.)
Schlagworte: Neurologie, Hirnforschung, Locked-in-Syndrom, Neuro Hub
Meine Bewertung: ⭐️⭐️⭐️⭐️/5


Realitätsbezogen

Auf einer der ersten Seiten steht der Satz: »Nach einer wahren Begebenheit«. Und in der Tat ist »Locked in« nichts, das sich der Autor ausgedacht hat. Als Grundlage für seinen Thriller hat er sich das Forschen und Wirken des österreichischen Psychologen und Neurowissenschaftlers Niels-Peter Birbaumer zu eigen gemacht. Ein Schwerpunkt dessen Arbeit bildet die Forschung an Gehirn-Computer-Schnittstellen, die es ermöglichen sollen, ohne Nutzung der Gliedmaßen Informationen zwischen dem Gehirn und Maschinen auszutauschen (Quellenauszug: Wikipedia).


Darum geht es

Die Polizei in Heidelberg sucht nach drei Entführungsopfern: Ein Manager eines Zementkonzerns, eine Gymnasiallehrerin und ein Hauswart in einem Pflegeheim. Die Opfer haben keine Gemeinsamkeiten, kennen sich nicht und stammen aus unterschiedlichen Milieus. Alle drei verbindet nichts außer dem Umstand, dass man in deren Wohnungen Aerosolpartikel nachweisen konnte. Das lässt lediglich darauf schließen, wie der Täter seine Opfer gefügig gemacht hat.


Ein Ermittler mit Ecken und Kanten

Kriminalhauptkommissar Paul Maertens und seine neue Kollegin Kriminalkommissarin Stefanie Krüger werden mit den Ermittlungen beauftragt. Maertens ist nicht glücklich darüber, dass ihm die neue Kollegin - frisch von der Polizeischule gekommen – zugeteilt wird. Sie wird im weiteren Verlauf eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Maertens musste als junger Polizist mit ansehen, wie sein Vater im Blutrausch die ganze Familie ausgelöscht hat. Die beiden jüngeren Geschwister und seine Mutter starben, bevor er selbst seinen Vater durch einen gezielten Schuss niedergestreckt hat. Dieses Erlebnis prägt sein weiteres Leben und sorgt dafür, dass man ihn im Beruf argwöhnisch betrachtet. Sein Vorgesetzter Brachmann hat ein gespaltenes Verhältnis zu Maertens. Warum überträgt er ihm dann die Leitung einer eingerichteten SOKO überhaupt, um sie ihm später wieder zu entziehen?


Eine Aktion mit fatalen Folgen

Zwei der entführten Opfer sind bereits tot, als Maertens in einer ehemaligen Fabrikhalle auf den Entführer stößt und ihm unbeabsichtigt in den Kopf schießt. Der erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma und fällt anschließend in ein Wachkoma. Das hat eine vollständige Lähmung zur Folge und fortan ist er ein Gefangener in seinem eigenen Körper. Er hat das Locked-in-Syndrom. Zwar ist er bei Bewusstsein, jedoch körperlich fast vollständig gelähmt und unfähig, sich sprachlich oder durch Bewegungen verständlich zu machen. Die einzige Möglichkeit zur Kommunikation ergibt sich durch die erhaltene vertikale Augenbeweglichkeit.


Der Neuro Hub

Das macht es fast unmöglich, den Ort des wahrscheinlich noch lebenden dritten Entführungsopfers zu erfahren. Helfen könnte ein Neurologe, um dem Entführer die Informationen über den Aufenthaltsort des Opfers zu entlocken. Professor Dr. Theo Linde ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Hirnforschung. Er hat zusammen mit seinem Kollegen Amend ein Gerät entwickelt, das die Gedankenströme eines Menschen »lesen« kann: ein Neuroresonanz-Niedrigfrequenztomograf, kurz Neuro Hub. An diesen Strohhalm klammert sich Maertens, um den Aufenthaltsort der vermissten Person herauszufinden. Aber Linde verfolgt ganz eigene Ziele mit seiner Bereitschaft, der Polizei zu helfen.


Drei verschiedene Charaktere

Drei Hauptfiguren werden in diesem Thriller von einem Ermittler, einem Mediziner und einem Entführungsopfer verkörpert. Diese drei Personen sind gut ausgearbeitete Charaktere und erzählen jeweils in Ich-Form in sich abwechselnden Kapiteln, die analog mit »Maertens«, »Linde« und »Im Verlies« überschrieben sind.

Maertens und Prof. Dr. Theo Linde sind keine einfachen Charaktere. Auf diese beiden Figuren hat sich der Autor fokussiert und deren Psyche mit Tiefgang gezeichnet, so dass man sich ein Bild von deren Denken und Handeln machen kann. 
Auch das Verhalten des Entführten, der unablässig nach einer Möglichkeit sucht, um sich aus seinem 
»Gefängnis« zu befreien, wird sehr ausführlich beschrieben. Die Nebenfiguren bleiben eher blass.


Ein innovativer Plot

Nach zwei Dritteln zieht die Spannung spürbar an. Viele Plot-Twists sorgen für Verwirrung und nichts ist wie es scheint. Kaum denkt man, auf der richtigen Spur zu sein, nimmt die Handlung eine andere Richtung an.

Der Autor hat sich einen innovativen Plot ausgedacht, den es so noch nicht gab. Der Thriller ist tiefgründig und hebt sich literarisch von vielen anderen Büchern ab. Er ist anspruchsvoll geschrieben und will seine Leser nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anregen.


Fazit

Faber pflegt einen ihm eigenen Schreibstil mit einem hohen Wiedererkennungswert. Wenn auch so manches abstrus wirkt, versteht es der Autor, dem Leser dafür eine mögliche Erklärung zu geben.
Es empfiehlt sich, diesen Thriller mit möglichst wenigen Unterbrechungen zu lesen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass man durch die vielen Wendungen und Plot-Twists den Faden verliert. Da es fast zwei Drittel gebraucht hat, bis ein spannender und fesselnder Plot entsteht, konnte ich den Thriller nicht auf den höchsten Level heben.
Nachdenklich stimmt mich die Ankündigung von Faber, dass »Locked in« höchstwahrscheinlich sein letztes Buch ist. Mit Sicherheit ist der Markt eng und der Druck hoch. Immer mehr Autoren und Autorinnen veröffentlichen Bücher – manchmal nur eines und dann verschwinden sie wieder von der Bildfläche. Ich bin der Meinung, dass ein Schriftsteller vom Format eines Henri Faber nicht der literarischen Welt verloren gehen darf.

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