Caroline Wahl wurde 1965 in Mainz geboren und ist eine deutsche Schriftstellerin. Ihr Debütroman »22 Bahnen« aus dem Jahr 2023 wurde ein großer Verkaufserfolg und erhielt zahlreiche positive Kritiken und Preise. Auch das Nachfolgewerk »Windstärke 17« wurde zum Erfolg.
Caroline Wahl wuchs als Tochter eines Chirurgen und einer Grundschullehrerin mit drei Geschwistern in Schriesheim in der Nähe von Heidelberg auf und studierte Germanistik in Tübingen und Deutsche Literatur in Berlin. Danach war sie unter anderem als Verlagsassistentin für den Diogenes Verlag in Zürich tätig. In dieser Zeit schrieb Wahl innerhalb von drei Monaten ihren ersten Roman »22 Bahnen«. 2022 zog sie nach Rostock, wo sie für eine Kommunikationsagentur tätig war, und lebte dort als freie Schriftstellerin. Im Herbst 2024 zog sie nach Kiel.
Die Assistentin
Kategorie: Roman – München, Köln
Erstausgabe: Gebundene Ausgabe (08/25; 368 S.)
Schlagworte: Buchverlag, Assistentin, Resilienz, Musikkarriere
Meine Bewertung: ⭐️⭐️/5
Traumjob oder Beruf wider Willen
Obwohl Charlotte gerne ins Musik-Business einsteigen möchte, bewirbt sie sich auf eine Assistenzstelle in einem renommierten Münchner Buchverlag. Ihre Eltern haben ihr von einem Musikstudium abgeraten und ermuntern sie zu der Bewerbung. Sie bekommt die Stelle der zweiten Assistentin und zieht daraufhin von Köln nach München. Eine Wohnung in einem heruntergewirtschafteten Haus, wo es auch schon einmal einen Toten gab, ist ihr neues Zuhause. Das einzige Highlight ist der Blick auf die Isar. Wasser spielt wieder eine Rolle wie in den beiden vorherigen Büchern von Wahl.
Maise hat eine »Meise«
Die Assistentinnen in dem Buchverlag von Verleger Ugo Maise werden oft ausgetauscht. Er fordert viel von seinen Mitarbeiterinnen. Nach nur drei Tagen ist es schon so weit. Die Arbeitsweise seiner neuen Assistentinnen Charlotte Scharf und Ivana Trautwein gefällt ihm nicht. Dabei spielt er die Beiden niederträchtig gegeneinander aus. Sie werden gekündigt, wovon nach dem Wochenende plötzlich keine Rede mehr ist. Maise ist ein Exzentriker, der im wahrsten Sinn des Wortes eine »Meise« hat. Keine andere Meinung neben seiner lässt er gelten und wenn nicht alles so läuft, wie er sich das vorstellt, wird er schnell ungehalten und wütend.
Die Personalchefin Alexandra Liebig gibt sich immer verständnisvoll gegenüber Charlotte und nennt Sie »Mäuschen«. Sie will Maise auf sein Verhalten gegenüber Charlotte ansprechen, was aber nie geschieht.
Ein Leben wie in einem Hamsterrad
Charlottes Leben läuft stupide in geordneten Bahnen ab. Einstempeln früh morgens im Verlag und spät abends ausstempeln. Nach Hause fahren, essen, laufen, fernsehen, zu Bett gehen. Zwischendurch arbeitet sie an einem Musikalbum, dass sie veröffentlichen möchte. Sie hat ihren Traum noch nicht aufgegeben. Und dabei ist sie ständig in »Hab-Acht-Stellung«, ob sich ihr Chef meldet mit irgendeiner dringenden Erledigung. Sie arbeitet sehr gewissenhaft und das zermürbt sie in zunehmender Weise. Dieser Abwärtstrend in ihrer Psyche wird gut herausgearbeitet.
Ihr Leben ist ein ständiger Kampf um Aufmerksamkeit. Manchmal ist sie froh über ihren Job als Assistentin im Verlag, hauptsächlich wenn sie Lob von ihrem Chef bekommt. Ein anderes Mal möchte sie alles am liebsten hinwerfen, wenn Maise Kritik an ihrer Arbeit übt (die nicht immer berechtigt ist). Auch wenn Freundschaften nicht so ihres sind, lernt sie einen gewissen Bo kennen, zu dem sie sich hingezogen fühlt.
Die Isar als Rückzugsort
Wenn Charlotte nicht mehr weiterweiß und sich entspannen will, zieht sie kurzerhand ihre Laufsachen an, um entlang der Isar den Kopf freizubekommen. Manchmal flüchtet sie auch nach Hause zu ihren Eltern in eine vertraute Umgebung. Aber schnell fühlt sie sich auch dort wieder eingeengt und bevormundet, zumal sie ihren Eltern eine Mitschuld darangibt, dass sie sich in dem Verlag beworben hat. Ist sie in München, telefoniert sie oft mit ihrer Mutter, um dann das Gespräch wütend zu beenden, wenn die nicht ihrer Meinung ist.
Stilblüten und Produktwerbung
Die Schreibstruktur ist nicht überzeugend. Mehrmals wird ein Thema begonnen, um dann mit der Floskel »Aber dazu später mehr« zu enden. Warum kann dies nicht gleich final beschrieben werden? Eine weitere Floskel »Alles der Reihe nach« soll wohl auf eine geordnete Reihenfolge hinweisen, die man dann aber vermisst.
Als Stilmittel lässt die Autorin Produktnamen mit in die Handlung einfließen (Storck, Langnese, Paulaner usw.). Das kennt man schon aus ihren vorherigen Büchern. Ebenso gibt es wieder Textabschnitte in Dialogform. Ein Tick dabei: Sie beginnen als Kürzel (»mu« für den Verleger Maise und »sch« für Charlotte).
Ende gut – alles gut?
Wahl geht auf Sachverhalte ein, die erst in der Zukunft zu lokalisieren sind. So wird schon auf den ersten Seiten vorweggenommen, wie die Anstellung in dem renommierten Münchner Buchverlag enden wird. In der Summe wirkt es nicht wie ein gut durchdachter Plot.
Nachdem es schlussendlich zu einem Eklat zwischen dem Verleger und Charlotte wegen einer nicht abgeschlossenen Dachbodenkammer kommt, lässt sie sich krankschreiben. Die Ärztin teilt ihr mit, dass sie während einer Krankschreibung nicht gekündigt werden kann. Hier irrt Caroline Wahl (Quelle: https://www.kanzlei-hasselbach.de/). Sie wird den Verlag nie wieder betreten. Wir erfahren nicht, ob Charlotte irgendwann von selbst kündigt, wovon aber auszugehen ist. Das Buch endet abrupt mit einem Hinweis und einem Cut. Hier hätte man mehr erwartet.
Fazit
Es fällt schwer, dieses Buch als Roman zu bezeichnen. Ich sehe es eher als eine Art aneinandergereihte Prosatexte mit einer trockenen und nüchternen Darstellungsweise. Eine vereinfachte Form des Storytellings gibt die Erlebnisse der Protagonistin Charlotte wieder. Das Buch wird auktorial aus ihrer Sicht erzählt.
Ich war auf diesen dritten Roman von der Autorin gespannt. Nun komme ich zu der Erkenntnis, dass sich Caroline Wahl leider nicht weiterentwickelt hat. Im Gegenteil, die Klasse ihrer ersten beiden Romane konnte sie nicht halten. Trotz allem wird dieses Buch polarisieren, dessen bin ich mir sicher.
Text über die Autorin: Wikipedia
Buchcover: Bildrechte gehören dem jeweiligen Verlag

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