Montag, 28. August 2023

Sullivan, Mark T. – Das letzte grüne Tal

Über den Autor

Mark T. Sullivan wurde 1958 in Medford bei Boston geboren. Er ist ein US-amerikanischer Schriftsteller.
Sullivan schloss 1980 das College mit einem BA in Englisch ab. Anschließend arbeitete er zwei Jahre für das Friedencorps in Agadez, Niger. Während dieser Zeit reiste er auch mit den dortigen Nomaden durch die Sahara. 1982 kehrte er in die USA zurück, um ein Journalismus-Studium an der Northwestern University aufzunehmen.
1990 zog Sullivan nach Utah und Wyoming und heiratete dort seine Frau. 1994 erscheint nach langer Vorarbeit sein Debütroman »The Fall Line«.
Seit 1995 lebt er mit seiner Frau und den beiden Söhnen im Bundesstaat Montana im Nordwesten der Vereinigten Staaten.
(Stand: 2023)

 

Das letzte grüne Tal

Ausgabe: Taschenbuch (05/21; 619 S.)


5 / 5 ⭐️

Eine Zeitreise ins Ungewisse


Zu der Zeit von Zarin Katharina der Großen sind viele deutsche Familien nach Russland ausgewandert. Die Böden dort waren weitaus fruchtbarer als in Deutschland und die deutschen Bauern hatten das erforderliche Knowhow, um sehr viel ertragreichere Ernten einzufahren als die einheimischen Bauern, was dem russischen Volk zugutekommen sollte.

Eine dieser Familien, um die es in dieser Geschichte geht, ist die Familie Martel (das Ehepaar Emil und Adeline sowie deren Söhne).

Während des 2. Weltkriegs marschiert die deutsche Wehrmacht unaufhaltsam auf Moskau zu. Die sogenannten Volksdeutschen – wie auch die Martels – haben Angst, von der roten Armee getötet zu werden, da Hitler alles vernichtet, was ihm sich in den Weg stellt, ob Polen, Ungarn oder Rumänen. Allmählich nähern sie sich der Ukraine, die bisherige Heimat der Martels.

Da die Deutschen Angst haben zwischen die Fronten zu geraten, packen Sie das nötigste zusammen und machen sich auf einen langen, beschwerlichen Weg Richtung Westen.

Der Weg führt sie zunächst mit einem Pferdefuhrwerk und dann zu Fuß durch die Ukraine, Rumänien, Ungarn bis zu einer Kleinstadt in Polen. Dort wird ihnen von der SS ein halb verfallenes und verlassenes Haus zum Leben zugewiesen. Dieses Haus und die Kleider gehörten ehemals Juden.

Das erweist sich nach einiger Zeit ebenfalls als zu unsicher, da die Sowjets immer näher rücken. Sie wollen sich daher weiter auf den Weg nach Westen machen. Als sie alles gepackt haben und loswollen, wird Emil von zwei polnischen Milizionären aufgefordert mitzukommen. Die Wege von Emil und seiner Familie trennen sich. Emil kommt zurück und landet in einem Strafgefangenlager in der Ukraine und Adeline macht sich mit Ihren Söhnen weiter auf den Weg Richtung Westen.

Werden Sie sich jemals wiedersehen, wird Emil lebend das Strafgefangenenlager wieder verlassen können und werden Adeline und ihre beiden Söhne jemals die deutsche Hauptstadt Berlin erreichen? Kann ihr Traum vom letzten grünen Tal noch wahr werden?

 

Fazit:

Mark Sullivan erzählt in diesem Roman eine Geschichte mit authentischem Hintergrund.
Er hat die einzelnen Stationen bereist und mit Zeitzeugen, wie z. B. den beiden Söhnen Bill und Walter Martel gesprochen, bevor er diesen Roman schrieb.
Der Autor versteht es, die Personen so zu beschreiben, dass man sich ein reales Bild von Ihnen machen kann.
Dieses Buch hat mich von Anfang bis Ende fasziniert und sehr berührt. Ein Geschichtsdrama mit einer großen Spannweite, für die ich voll gerechtfertigte 5 Sterne vergebe.

Freitag, 25. August 2023

Cavanagh, Steve – Liar (E. Flynn, 3)

Über den Autor

Steve Cavanagh stammt aus Nordirland und wuchs in Belfast auf. Die ersten 18 Jahre seines Lebens lebte er dort. Er studierte Jura in Dublin.
Er arbeitete als Tellerwäscher, Türsteher, für einen Sicherheitsdienst und als Call-Center-Agent, bevor er einen Job bei einer großen Anwaltskanzlei in Belfast annahm.
In seiner irischen Heimat machte sich Steve Cavanagh als erfolgreicher Bürgerrechtsanwalt einen Namen und war in zahlreiche prominente Fälle involviert.
Inzwischen arbeitet er ausschließlich als Autor. Die Figur des Strafverteidigers Eddie Flynn hat in seinen Thrillern schon Kultstatus erreicht.
(Stand: 2023)


Liar

Ausgabe: Paperback mit Klappentext (05/23)

 



3 / 5 ⭐️

Zu wenig Präsenz im Gerichtssaal

Für »Thirteen« und »Fifty-Fifty« aus dem Jahr 2022 wurde Steve Cavanagh hoch gelobt, und so war es naheliegt, den Band 3 »Liar« aus der Eddie Flynn-Reihe in deutscher Sprache auf den Markt zu bringen, nachdem er bereits 2017 in englischer Sprache erschienen war.

Ich will nicht sagen, dass ich von diesem Band enttäuscht bin, aber einige Dinge haben mir hier gefehlt – z.B. Passagen, in denen Cavanagh den Ablauf eines Prozesses vor Gericht so detailliert beschreibt, dass man sich in die Verhandlung hineinversetzen kann.

Aber diese steht hier nicht im Vordergrund, eher die Geschehnisse außerhalb des Courts. Schade, das sind gerade die Stärken des ehemaligen Bürgerrechtsanwalts Steve Cavanagh, wenn er im Kreuzverhör vor Gericht die Zeugen der Anklage regelrecht »zerpflückt«, indem er deren Aussagen mit fundierten Recherchen widerlegt (eines der wenigen Beispiele: der vermeintliche Gutachter für Blutspurenmusteranalysen Dallas Birch mit einem gekauften Doktortitel). Auch die Anklägerin Michelle King kommt für meine Begriffe zu »brav« daher.

Es fehlen die harten und kompromisslosen Auseinandersetzungen zwischen der Anklage und der Verteidigung. Die Geschworenen spielen in dem Buch eher eine untergeordnete Rolle ganz im Gegensatz zu anderen Eddie Flynn Büchern.

 

Fazit:

Von einem Justizthriller erwarte ich mehr Präsenz im Gerichtssaal. Das Buch beginnt schleppend, die ersten 200 von 512 Seiten sind langatmig und es kommt keine richtige Spannung auf. Mir fehlt da die Verbindung zum Gericht und die Vorabtreffen zwischen Richter, Anklage und Verteidigung. »Thirteen« und »Fifty-Fifty« waren hier eindeutig stärker.
Die einzelnen Bände kann man unabhängig voneinander lesen, auch wenn die Figuren des Richters Harry Ford – der Mentor von Eddie Flynn – und die FBI-Agentin Elizabeth Harper in den einzelnen Büchern auftauchen.
Ich wünsche mir, dass der Autor mit seinem nächsten Band »Seven Days«, der im Januar 2024 erscheint, seine bekannten Stärken wieder ausspielt. Deshalb von mir dieses Mal leider nur 3 Sterne.

Montag, 21. August 2023

Zeh, Juli/Urban, Simon – Zwischen Welten

Über die Autoren

Juli Zeh - (bürgerlich Julia Barbara Finck) wurde 1974 in Bonn geboren. Sie hat in Passau und Leipzig Jura studiert, in Europa- und Völkerrecht promoviert. Im Jahr 2018 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz und wurde zur Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt.
Schon ihr Debütroman »Adler und Engel« (2001) wurde zu einem Welterfolg. Ihr Roman »Über Menschen« war das meistverkaufte belletristische Hardcover des Jahres 2021.
Zehs Romane Schilf (2011 adaptiert) und Spieltrieb (2014) wurden erfolgreich verfilmt.
2013 wurde sie mit dem Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet sowie 2019 mit dem Heinrich-Böll-Preis.
(Stand: 2023)

Simon Urban - wurde 1975 in Hagen geboren. Er hat Germanistik, Komparatistik (Teilbereich der Literaturwissenschaft)  und Philosophie in Münster studiert.
2011 veröffentlichte er den Roman »Plan D«, in dem die DDR noch heute existiert. Er wurde bisher mit zahlreichen Literaturpreisen und Kreativawards wie Cannes-Löwen und dem Clio-Grand Prix ausgezeichnet. Für die ARD schrieb er die Erzählvorlage zum Spielfilm »Exit« (2020). 2021 wurde er mit seinem Roman »Wie alles begann und wer dabei umkam« mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet. Er gehört zweifellos zu den großen, mutigen Erzähltalenten.
(Stand: 2023)


Zwischen Welten

Ausgabe: Gebundenes Buch (01/23; 448 S.)



5 / 5 ⭐️

Gekämpft und verloren
 

Dieser Roman mit aktuellen Themen der Gesellschaft ist meines Wissens die erste gemeinsame Arbeit von Juli Zeh und Simon Urban.

Dabei liegt die Vermutung nahe, dass Juli Zeh die weibliche Rolle der Theresa geschrieben hat und Stefan Urban für die Rolle von Stefan verantwortlich zeichnet.

Die Protagonisten sind Stefan Jordan, 46 Jahre alt, Kulturchef bei der Hamburger Wochenzeitung DER BOTE (Name fiktiv), ledig, keine Kinder und Theresa Kallis, 43 Jahre alt, Landwirtin und Vorstand der »Kuh & Co. Schütte e.G.«, eigentlich glücklich verheiratet, 2 Kinder (Jonas, 8 Jahre und Phil, 10 Jahre).

Vor zwanzig Jahren haben beide zusammen zu Studienzeiten in einer WG in Münster gelebt – als Freunde, ohne eine partnerschaftliche Beziehung. Danach haben sich ihre Wege getrennt. Plötzlich laufen sie sich in Hamburg über den Weg und beschließen, ihre »Beziehung« per E-Mail und WhatsApp wieder aufleben zu lassen.

Die Kommunikation zwischen Stefan und Theresa ist genau betrachtet wie eine Fieberkurve. Es bauen sich immer wieder Spannungen auf, die nur langsam wieder abnehmen. Eigentlich reden beide meistens aneinander vorbei. Zu groß klaffen die Welten zwischen dem Investigativ-Journalismus in Hamburg (Stefan) und dem tristen Landleben auf einem Bauernhof in Brandenburg (Theresa) auseinander.

Es hat mir gut gefallen, wie sich der Roman neben der normalen Handlung auf aktuelle Themen fokussiert (Klimakatastrophe, Corona, Fridays for Future, Greta Thunberg, Überfall auf die Ukraine durch Russland).

Dazwischen auflockernde Kommentare, beispielsweise zur kulturellen Vermischung (Zitat Theresa: Müssen wir bald zu Pizza »germanischer Fladen mit variablem Belag sagen«).
 
Sowohl in der Redaktion als auch auf dem Bauernhof geschehen unvorhersehbare Ereignisse, die existenziell sind.

Je länger ich gelesen habe, umso mehr hat mich das Buch in seinen Bann gezogen. Ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Stefan und Theresa weitergeht. Ich konnte zu keinem Zeitpunkt Langeweile verspüren.

 

Fazit:

Den Schwan auf dem Cover kann man als Metapher deuten. (Zitat Stefan per WhatsApp: Hast du dein Telefon vor Wut in die Außenalster geworfen, und ich schreibe gerade einem Schwan?).
In dem Buch reihen sich E-Mail, WhatsApp und andere Messenger-Dienste zwischen den beiden Protagonisten aneinander. So etwas ähnliches kennt man aus den Werken von Daniel Glattauer (»Gut gegen Nordwind« oder »Alle sieben Wellen«). Wenn auch dort die Kommunikation lediglich per E-Mail stattfindet.
Stefan und Theresa erzählen jeweils in der Ich-Form. Bei anderen Personen erzählen sie aus ihrer Sichtweise deren Tun und Handeln.
Das ständige Gendern von Stefan finde ich nervig und es muss aus der grammatikalischen Sicht  m.E. auch nicht sein.
Allerdings gibt es darüber sehr unterschiedliche Meinungen und fließt daher nicht in meine Bewertung ein.
Ein nachdenklich stimmender, sehr guter Roman. Ich lege mich auf 5 Sterne fest.

Samstag, 19. August 2023

Meyer, Chris - Der Follower (T. Bachmann, 3)

Über den Autor/die Autorin?

Chris Meyer hat sich von Berufs wegen schon oft mit der Frage beschäftigt, warum ein Mensch zum Serienmörder wird. Bis heute gab es keine zufriedenstellende Antwort. Also nähert sich Chris dem Bösen weiterhin in literarischer Form und erfindet fiktive Killer, die dichter an der Realität sind, als man glaubt.
Über die Person Chris Meyer weiß man so gut wie nichts. Aber nach dem Aufkleber »Spiegel Bestsellerautorin« auf diesem Buch zu urteilen, dürfte zumindest das Geschlecht geklärt sein.
(Stand: 2023)


Der Follower

Ausgabe: Taschenbuch (06/23)


 
3 / 5 ⭐️
 
Hello Dubai
 

Der dritte Fall für den Fallanalytiker Tom Bachmann vom BKA Meckenheim bei Bonn und seinem Team. Zuvor hat Bachmann viel Erfahrungen beim FBI in den USA gesammelt. Nach dem „Blutkünstler“ und dem „Zoom-Killer“ liegt der Fokus hier auf jungen weiblichen Influencerinnen, die auf Instagram Werbung für verschiedene Firmen posten. Dabei stellen sie neben dem Produkt auch ihren Körper in den Mittelpunkt.

Bachmann hat das Buch in zwei Ebenen aufgeteilt. 1988 leben die Kinder Lisa, Aaron, Justus, Yvonne und Tom in einem Heim für schwer erziehbare Kinder, dass von dem psychopathischen Dr. Rudolf Bachmann, der Vater von Tom, geleitet wird. Er zwingt die Kinder zu grausamen Folterungen und Tötungen unter Androhung von drastischen Strafen, wenn sie seine Befehle nicht ausführen.

Die zweite Ebene bezieht sich auf die Gegenwart. Tom Bachmann ist der Einzige von den ehemaligen Heimkindern, der das damalige Trauma einigermaßen kompensiert bzw. verdrängt hat. Aaron und Lisa wurden zu Mördern im Sinne einer Gerechtigkeit, die so nicht existent sein kann. Von Justus und Yvonne ist nichts Näheres bekannt.

Und hier setzt mein Kritikpunkt an. Wie kann ein leitender BKA-Beamter wie Bachmann es ignorieren bzw. dulden, was seine damaligen Freunde treiben?

Wie so oft bei solchen gestörten Seelen steht eine Kindheit im Vordergrund, die der Gesuchte nie verarbeiten konnte. Eine traumatisierte Persönlichkeit hat sich entwickelt.

Meiner Meinung geht es hier nicht um einen Psychopathen, sondern einen nekrophilen Beinfetischisten. Nachdem er das genommen hat, was er am meisten begehrt, zieht er den Opfern ein T-Shirt mit der Aufschrift „Hello Dubai“ über und postet die Fotos, worauf nur der Oberkörper zu sehen ist, mit dem Hinweis, dass sich die jungen Frauen in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben.

Ich glaube nicht, dass ich zu viel gespoilert habe, denn es bleibt beim Lesen noch viel bisher Unbekanntes zu erfahren.

 

Fazit:

Die Charakteristika eines Thrillers bestehen darin, den Leser in ständiger Spannung zu halten, und diesen Zustand erfüllt Chris Meyer voll und ganz.
Wenn man alle drei Bände der Tom Bachmann-Serie gelesen hat, stellt man sich automatisch die Frage, woher bezieht Chris Meyer seine Informationen. Man kommt unweigerlich zu dem Schluss, dass er/sie (?) von Berufs wegen mit einer solchen Materie zu tun haben muss. Dazu weiß man aber zu wenig über den Autor bzw. die Autorin.
Das Ende dieses Buches könnte ein Hinweis darauf sein, dass mit Band 3 die Tom-Bachmann-Serie abgeschlossen ist. Man darf gespannt sein. Ich habe lange überlegt, wie ich dieses Buch für mich bewerten soll. Auf der einen Seite die Charakteristika, die einen Thriller ausmachen und auf der anderen Seite meinen Kritikpunkt (s. den vierten Absatz von oben). Wäre dieser Punkt nicht gewesen, hätte ich 4 Sterne vergeben, aber so sind es leider nur 3 Sterne geworden.
 

Samstag, 12. August 2023

Slaughter, Karin – Die Vergessene

Über die Autorin

Karin Slaughter wurde 1971 geboren und ist eine US-amerikanische Schriftstellerin. Sie stammt aus einer Kleinstadt im Bundesstaat Georgia, heute lebt sie in der Hauptstadt Atlanta.
Sie schreibt Thriller, die von Anfang an nervenaufreibend spannend sind, voller Überraschungen und trotzdem überzeugend. Sie lässt dabei kein Tabuthema aus und lotet gesellschaftliche, charakterliche und psychische Abgründe aus.
(Stand: 2023)


Die Vergessene

Ausgaben: Gebundenes Buch (01/22); Taschenbuch (08/23)

 

 


5 / 5 ⭐️
 
Cold Case – kein Opfer wird vergessen


Das Buch erschien 2022 als Originalausgabe unter dem Titel »Girl, forgotten«. Die international renommierte amerikanische Schriftstellerin Karin Slaughter präsentiert dem Leser einen facettenreichen Thriller mit einer komplizierten Handlung.

Der Thriller hat zwei Handlungsstränge. Zum einen die Vergangenheit von Emily Vaughn und ihren vermeintlichen Freunden in der Clique. Zum anderen erhält Richterin Esther Vaughn am Obersten Gerichtshof seit geraumer Zeit Morddrohungen in Schriftform. Oliver und ihr Partner Bible wurden für die Richterin als Personenschützer eingeteilt. Das ist eine undankbare und gefährliche Aufgabe.

Esther Vaughn ist zudem die Mutter von Emily Vaughn. Hier könnte ein Zusammenhang zu den Drohungen bestehen, was aber eher unwahrscheinlich ist nach vierzig Jahren.

In den Teilen der Gegenwart geht es im Wesentlichen um den ersten Einsatz von Andrea Oliver, die nach viermonatiger, harter Ausbildung die Ernennungsurkunde zum US-Marshal erhalten hat und ab sofort dem United States Marshal Service angehört. Ihr erster Einsatz führt sie nach Longbill Beach und damit zu dem Ort zurück, an den sie aus der Vergangenheit keine guten Erinnerungen hat. Auch die Gegenwart hält eine Überraschung bereit. Warum, das lasse ich lieber offen, um nicht zu spoilern.

Was mir sehr gut gefallen hat, ist die klare Gliederung zwischen den Handlungen von vor vierzig Jahren und der Gegenwart. Wenn ein Zeitwechsel erfolgt, geschieht dies immer mit einer Datumsangabe als Überschrift. Die Zeitspanne beginnt im Oktober 1981, sechs Monate vor dem High-School-Abschlussball. Darin beschreibt die Autorin die Erlebnisse und Demütigungen der jungen Emily Vaughn in der fiktiven Kleinstadt Longbill Beach, was letztlich in einer Katastrophe für Emily endet. Zwischendurch werden Ausschnitte von den protokollierten Aussagen der Verdächtigen wiedergegeben, aber auch die Gedanken der jungen Emily.

Von der Nacht des Abschlussballs in der High-School hat Emily keine Erinnerungen. Sie hat zu viel getrunken und auch Drogen konsumiert. Einige Wochen später erfährt Emily plötzlich, dass sie schwanger ist. Wer könnte der Vater sein? Darüber zerbricht sie sich den Kopf. Ihre sogenannten Freunde berichten ihr, wer es gewesen sein könnte, und belasten sich dabei gegenseitig.

Die einzelnen Figuren sind detailliert mit ihren Stärken und Schwächen beschrieben, was nicht übertrieben oder langweilig auf mich gewirkt hat.

Besonders gut hat mir der Charakter und das Auftreten des US-Marshals Leonhard (Spitzname Catfish) Bible gefallen, dem Andrea Oliver bei Ihrem ersten Einsatz zugeteilt wurde. Besonders pikant ist die Tatsache, dass deren Chefin Deputy Chief Cecilia (Cussy) Compton auch Bibles Frau ist. Hier wird in lockeren, teilweise witzigen Kommentaren deren Charakter dargestellt.


Fazit:

Dieser Thriller handelt von kranken und zerstörten Seelen aber auch von Menschen, die auf der Seite des Rechts stehen und dies zu ihren Gunsten ausnutzen sowie aus Psychopathen. Nur wenige Figuren handeln nach Recht und Gesetz.
Das Buch ist voller Überraschungen und Wendungen, wobei die Zusammenhänge erst nach und nach klar werden, und davon gibt es eine ganze Menge.
Meine Hoffnung ist, dass ich einigermaßen herausgestellt habe, was die Schwerpunkte dieses Thrillers sind.
Für dieses Buch gebe ich eine absolute Leseempfehlung mit 5 Sternen.

Mittwoch, 9. August 2023

Raabe, Marc – Der Morgen (A. Mayer, 1)

Über den Autor

Marc Raabe wurde 1968 in Köln geboren. Mit 15 Jahren entdeckte er seine Leidenschaft fürs Geschichtenerzählen und begann mit einem Freund Filme zu drehen. Drei Jahre später entstand daraus eine Produktionsfirma für Industriefilme, Musikvideos und Fernsehen.
Sein Thriller-Debüt »Schnitt« erschien 2012 im Ullstein Verlag und stand mehrere Wochen auf der Spiegel Online Bestsellerliste, ebenso wie sein zweiter Thriller »Der Schock«.
Heute ist er Gesellschafter und Geschäftsführer einer Fernsehproduktionsfirma und lebt mit seiner Familie in Köln.
(Stand: 2023)

Der Morgen (Band 1)

Ausgabe: Paperback mit Klappentext (03/23)

  



 5 / 5 ⭐️
 
Wenn dich die Vergangenheit einholt
 

Nach der Tom Babylon-Reihe hat Marc Raabe den Start einer neuen Serie veröffentlicht.

Dies ist der erste Fall für den schroffen und eigenwilligen BKA-Ermittler Art(ur) Mayer und der jungen Kommissar-Anwärterin Nele Tschaikowski. Der Ermittler erinnert mit seinem Verhalten und seinen Methoden etwas an den holländischen BKA-Profiler Maarten S. Sneijder aus den Büchern von Andreas Gruber.

Mayer ist vom Dienst suspendiert, da er den Polizeipräsidenten Kauder niedergeschlagen hat., nachdem Letzterer herausgefunden hat, dass  Mayer ein Verhältnis mit Kauders Frau hatte. Kurioserweise ist Nele Tschaikowski die Nichte von Kauder, was dem Ermittlerteam eine besondere Würze verleiht.

Die Polizei entdeckt an der Siegessäule in Berlin die Leiche einer Frau, auf deren Bauch die Adresse des Bundeskanzlers geschrieben ist. Da die Kriminalbeamten vermuten, dass es sich um einen politisch motivierten Mord handelt, unterrichtet man den Bundeskanzler davon.

Und dem hat Mayer seine Wiederaufnahme in den Dienst zu verdanken. Mayer ist der Polizist in den Reihen des BKA und der Ermittler mit den höchsten Aufklärungsraten. Dass hier noch mehr dahintersteckt, wird man erst im Verlauf der Handlung erfahren.

 

Fazit:

Der Morgen von Marc Raabe ist ein spannender Auftakt einer neuen Reihe. Der Autor versteht es, geschickt die Vergangenheit und das heutige Geschehen miteinander zu verbinden. Im Verlauf der Handlung verschmelzen die beiden Zeitebenen miteinander, so dass dem Leser klar wird, welche Verknüpfungen von damals und heute bestehen.
Schon das pinkfarbene Cover springt einem unter den vielen in schwarz gestalteten Einbänden anderer Thriller ins Auge – es macht neugierig, was sich dahinter verbirgt. Schon jetzt bin ich auf den zweiten großen Fall mit Art Mayer gespannt, der für März 2024 unter dem Titel »Die Dämmerung« angekündigt ist.
Für diesen Band einer neuen Reihe 5 Sterne von mir.

Donnerstag, 3. August 2023

Jordan, Will – Patientin Zero

Über den Autor

Will Jordan lebt mit seiner Familie in Fife in der Nähe von Edinburgh. Er hat einen Universitätsabschluss als Informatiker. Wenn er nicht schreibt, klettert er gerne, boxt oder liest. Außerdem interessiert er sich sehr für Militärgeschichte.
(Stand: 2023)

 

Patientin Zero

Ausgabe: Taschenbuch (04/23)

 


 3 / 5 ⭐️
 
Ein Virus als tödliche Waffe 
 

Nach seiner über Jahre hinweg erfolgreichen Serie um Ryan Drake von einer geheimen Eingreiftruppe der CIA, hat Will Jordan seinen ersten Stand Alone Thriller mit dem kryptischen Titel Patientin Zero veröffentlicht.

Zunächst seien mir einige Sätze zum authentischen Teil der Story gestattet. In der Vergangenheit wurden schon Anschläge mit Biowaffen verübt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an einen Salmonellenanschlag einer Bhagwan-Kommune im Jahre 1984 in zehn verschiedenen Restaurants in den USA oder die Anthrax- (Milzbrandsporen) Anschläge auf Politiker in den USA 2001. Zum Glück gab es in beiden Fällen keine Todesopfer und es konnten bisher auch keine flächendeckenden Anschläge mit Hilfe von biologischen Waffen registriert werden.

Nach dem Einführungstext in Form eines Prologs, der zunächst zusammenhanglos zum Folgegeschehen steht, wird beim Weiterlesen klar, um was es dem Autor geht.

Für Cameron Becker von der Sicherheitsfirma PMC (Private Military Company)
und der Epidemiologin Lori Dalton der WHO (Weltgesundheitsorganisation) beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Sie wollen verhindern, dass russische Extremisten ein tödliches Virus einsetzen, um große Teile der Bevölkerung weltweit zu vernichten.

Und dabei sind Becker und Dalton von Anfang an näher am Geschehen, als es sie erahnen lässt.

Nachdem die Terroristen das Virus bereits in einem türkischen Flüchtlingslager mit Hilfe einer funkgesteuerten Drohne und eines Aerosolspenders erfolgreich versprüht haben, gehen Sie über zum finalen Schritt. Vier Flughäfen in Washington, Dubai, Peking und London sind ihr Ziel.

Die Zeit wird knapp auf der Suche nach einem wirksamen Gegenmittel. Becker und Dalton machen sich mit einer kleinen Expedition auf den Weg ins Ural-Gebirge. Und da spannt sich der Bogen zum Prolog. Vor ca. 60 Jahren brach eine Gruppe von Universitätsstudenten zu einer Wandertour durch das Ural-Gebirge auf. Diese Studenten haben nie ihr Ziel erreicht und wurden Wochen später erfroren gefunden. Auf ihrer Tour fanden sie zuvor eine tote Frau, die in eine Höhle gestürzt war und sich nicht mehr retten konnte. Sie war mit dem Djatlow-Virus infiziert, aber aufgrund von Antikörpern immun gegen das Virus (Anm.: Die Patientin Zero lt. Buchtitel). Und diese Frau suchen nun Becker und Dalton. Dalton will Gewebeproben entnehmen, um mit deren Hilfe ein Gegenmittel gegen die Seuche zu entwickeln.

 

Fazit:

Schon auf dem schlicht gestalteten Cover mit der Abbildung des Symbols für biologische Waffen und der Blutspur auf schwarzem Hintergrund wird klar, dass der Inhalt des Buches etwas mit  Massenvernichtungswaffen zu tun haben muss.
Dem Autor geht es m.E. um eine spannungsgeladene Story von Anfang bis Ende, die für den Leser zwar einige Überraschungen bereithält, aber ziemlich unauthentisch daherkommt, in vielen Passagen zu klischeehaft ist. Allein die Existenz einer Frau, die gegen das Virus immun ist, ist mehr als fragwürdig in seiner Beschreibung.
Beim Lesen dieses Buches stellte ich mir einige Male die Frage, welches Genre hier bedient werden soll – Fantasy, Science-Fiction, Horror oder doch einen Katastrophen-Thriller, bei dem es um den Einsatz von Biowaffen geht?
Das Buch liest sich flüssig ohne langweilige Passagen oder Fülltexte. Wem es einzig und allein um kurzweilige Unterhaltung geht, ist mit diesem Buch gut beraten. Da dem Buch die Spannung nicht in Abrede gestellt werden kann, finde ich 3 von 5 Sternen passend.
 

Dienstag, 1. August 2023

Aicher, Petra - Fräulein Anna (2)

Über die Autorin

Petra Aicher ist das Pseudonym von Petra Grill. Sie wurde 1972 in München geboren, lebt und arbeitet in Erding. Petra Grill ist ausgebildete Buchhändlerin. Unter ihrem richtigen Namen veröffentlichte sie 2020 ihren ersten Roman „Oktoberfest 1900“, der es auf Anhieb auf die Bestsellerliste schaffte. Sie recherchiert Geschichte und Geschichten von München und widmet sich dem Schreiben von historischen Romanen, sowohl unter ihrem richtigen Namen als auch unter dem Pseudonym Petra Aicher.
(Stand: 2023)

 

Fräulein Anna, Gerichtsmedizin (Band 2):

Die Schwabinger Morde

Ausgabe: Paperback mit Klappentext (07/23)


3 / 5 ⭐️

 

Nichts ist, wie es vorher war

Dieser historische Roman spielt zwischen der Kaiserzeit und dem Ausbruch des Krieges. Vor acht Wochen wurde Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich in Sarajevo erschossen. Am 28. Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, der 1. Weltkrieg bricht aus.

Zwei Themenschwerpunkte beinhaltet das Buch. Zum einen die Morde im Münchner Stadtteil Schwabing und zum anderen der 1. Weltkrieg. Die Autorin hat gut herausgestellt, wie die anfängliche Euphorie in der Heimat nach und nach in Angst, Verzweiflung und Empörung umschlägt. Dabei sind die Schwabinger Anarchisten und die Giesinger Sozialisten auf Feindschaft eingestellt. Der Schwiegervater von Friedrich von Weynand allerdings profitiert in der Heimat von diesem Krieg, da er Rüstungsmaterial produziert.

Bei den Ermittlungen hat man sich auf eine Person fokussiert, die sich sowohl als Täter als auch als mögliches Opfer (?) wie ein roter Faden durch den Inhalt zieht. Viel zu lange hat man einseitig in diese Richtung ermittelt und dabei andere Spuren außer Acht gelassen.
 
Anna Zech und der verheiratete Friedrich von Weynand sind freundschaftlich miteinander verbunden, wobei Friedrich sich wünschen würde, dass es mehr als nur eine Freundschaft wäre. Sie suchen gemeinsam ganz im Sinne von Detektiven nach dem Mörder und unterstützen dabei die Polizei.

Anna kommt aus ärmlichen Verhältnissen und arbeitet als Assistentin in der Münchner Gerichtsmedizin der königlichen Anatomie und der aus gehobenen Kreisen stammende Friedrich ist als Klatschreporter unter dem Pseudonym Fritz Nachtwey für seinen Generalanzeiger des Öfteren im Einsatz.

Allerdings wirft es kein gutes Licht auf die Münchner Polizei, dass ausgerechnet diese beiden „Hilfssheriffs“ den richtigen Weg zur Lösung des Falls finden.


Fazit:

Eigentlich habe ich dieses Buch gelesen, um meinen Horizont zu erweitern. Harte Thriller im Stil eines Chris Carter oder eines Simon Beckett sind eher mein Genre. Trotzdem hoffe ich, dass ich in dieser Rezension der Autorin mit einer einigermaßen guten Bewertung gerecht werden kann.
Petra Aicher passt den Schreibstil der Zeit an und beschreibt die einzelnen Figuren mit ihren Stärken und Schwächen.
Was mir nicht so gut gefallen hat, ist das Abdriften in den bayerischen Dialekt bei einigen Ausdrücken, die wohl dazu dienen sollen, dem Leser den Ort der Handlung immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Ich hätte mir auch gewünscht, dass es mehr Verdächtige gegeben hätte, um die Handlung noch spannender zu gestalten.
Hier gibt es meiner Meinung nach noch Luft nach oben und ich vergebe 3 von 5 Sternen.