Freitag, 29. März 2024

Wahl, Caroline – 22 Bahnen

Über die Autorin

Caroline Wahl wurde 1995 in Mainz geboren und wuchs in der Nähe von Heidelberg auf. Sie hat Germanistik in Tübingen und Deutsche Literatur in Berlin studiert. Danach arbeitete sie in mehreren Verlagen. »22 Bahnen« ist ihr Debütroman, für den sie 2023 mit dem Ulla-Hahn-Autorenpreis ausgezeichnet wurde. Caroline Wahl lebt in Rostock.
(Einbandtext © 2023 DuMont Buchverlag, Köln)


22 Bahnen

Ausgaben: Gebunden (04/23; 208 S.), Taschenbuch (04/24; 208 S.)

Meine Bewertung: ⭐️⭐️⭐️⭐️


Coming of Age

 

Der Roman konnte sich 30 Wochen lang auf der Spiegel-Bestsellerliste unter den Top-20 im Kalenderjahr 2023 platzieren. Insgesamt 7 Verlage hatten Interesse an dieser Erzählung bekundet. Das hat mich auf den Roman aufmerksam gemacht.

»22 Bahnen« ist ein Buch, das von Trauer, Angst, Wut und zuweilen melancholischen Gemütsstimmungen erzählt. Aber auch das Erwachsenwerden, die Liebe und der bedingungslose Zusammenhalt sind Themen in diesem Buch.

Tilda Schmitt ist die Protagonistin und erzählt aus der Ich-Perspektive. Sie ist eine starke, aber auch sensible junge Frau. Sie kommt sympathisch rüber und man muss sie bewundern für ihre Handlungsfähigkeit. Mit vielen Flashbacks erfahren wir etwas aus ihrer Vergangenheit.

Sie leben zu dritt in einer Kleinstadtwohnung: Tilda, ihre Halbschwester Ida und die alkoholsüchtige Mutter. Und dabei hat alles zu Beginn auf eine Familie mit Perspektiven hingedeutet. Die Mutter studierte Literatur, musste aber das Studium kurz vor dem Magisterabschluss wegen der Schwangerschaft mit Tilda abbrechen. Der Vater war Doktorand an einem Germanistischen Seminar. Nach der Geburt von Tilda fing die Mutter an zu trinken und der Vater verließ die Familie.

Als Heranwachsende führt Tilda ein Leben ohne große Perspektiven. Die Tage sind gefüllt mit Schule (später Studium), die kleine Halbschwester Ida versorgen, sowie sie in die Schule bringen und wieder abholen. Nebenbei jobbt Tilda an einer Supermarktkasse. Ansonsten lebt die Familie von den Unterhaltszahlungen des Vaters und vom Kindergeld. Die Mutter arbeitete vorübergehend als Aushilfe in einer Bücherstube. Aufgrund ihres Alkoholproblems wurde ihr aber gekündigt.

Der tägliche Ausgleich ist das Schwimmen am Abend, wo Tilda immer ihre 22 Bahnen im Schwimmbad absolviert. Das gibt ihr wieder Kraft und ein bisschen Zuversicht. Manchmal begleitet Ida sie, aber nur, wenn es regnet. Das fand ich amüsant. Außerdem gibt es noch einen Grund für ihren täglichen Schwimmbadbesuch. Der junge Viktor aus ihrem Gymnasium schwimmt ebenfalls seine täglichen Bahnen im Schwimmbad. Ganz langsam kommen sich die Beiden näher.

Ich habe mich gefragt, ob niemand nachgefragt hat, ob die Mutter überhaupt in der Lage ist, sich um die Erziehung ihrer Töchter zu kümmern? Tilda hat nicht das Sorgerecht für Ida. Hat sich nicht das Jugendamt dafür interessiert? Wie verhalten sich die Nachbarn? Diese Fragen bleiben offen.

Ida leidet sehr unter der Krankheit und dem Verhalten ihrer Mutter. Sie ist sehr verschlossen und teilt ihre Gedanken in Form von gemalten Bildern mit. In einem späteren Stadium gelingt es Tilda, Ida zu mehr Selbstvertrauen zu verhelfen, was für eine von Tildas Stärken spricht.

Tilda ist eine begabte Schülerin und ihr Lieblingsfach ist Mathematik. Deshalb möchte Professor Klein sie nach Abschluss des Abiturs für eine Promotionsstelle an der Uni Berlin empfehlen. Das bringt Tilda in einen Gewissenskonflikt. Sie fühlt sich für Ida verantwortlich und möchte sie auch nicht mit der Mutter allein lassen. Auf der anderen Seite ist es ein verlockendes Angebot und würde Tilda die Möglichkeit bieten, etwas aus ihrem Leben zu machen.

6 Jahre ist Tilda nach dem Abi zu Hause geblieben; in dieser Zeit hat sie gearbeitet, studiert und Ida großgezogen. Alle ihre Freunde sind in dieser Zeit weg- oder umgezogen. Wie wird sie sich entscheiden?

 

Fazit:

Auch wenn dieses Buch mit seinem Schreibstil und der Handlung an jüngere Erwachsene gerichtet sein dürfte, ist es bestimmt für ältere Erwachsene ebenso interessant.
Monologe der Ich-Erzählerin Tilda wechseln sich mit Dialogen ab. Am Dialogstil von Caroline Wahl hat mir gut gefallen, dass sie immer die Person an den Anfang stellt, die etwas zu sagen hat (z.B. »Tilda:« oder »Ida:«). Der Leser muss so nicht überlegen, wer gerade spricht.
In ihrem Debütroman zeigt die Autorin, welches Potential in ihr steckt. Man darf gespannt sein, wie sie sich weiterentwickelt. Aus diesem Grund bin ich auf ihren Folgeroman »Windstärke 17« gespannt, in dem man auch wieder auf Ida, die kleine Schwester von Tilda, treffen wird.
Aus meiner Sicht ein gelungenes Debüt mit ganz wenig Schwächen. Ich lege mich mit einer Bewertung auf vier Sterne fest.

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