Über den Autor
Michael
Tsokos, geboren 1967 in Kiel, ist Professor für Rechtsmedizin und
international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Forensik. Seit 2007
leitet er das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in
Berlin. Seine bisher 27 Bücher sind allesamt Bestseller und wurden
bereits mit hochkarätiger Besetzung verfilmt. Mit über 600 000 Followern
auf Instagram und seinen bundesweiten Vorlesungen zur Rechtsmedizin
fesselt er seit Jahren seine Follower, Fans, Leser und Zuschauer.
(Klappentext © Verlagsgruppe Droemer Knaur München, 2024)
Mit kaltem Kalkül
Ausgabe: Paperback mit Klappentext (09/24; 368 S.)
Meine Bewertung: ⭐️⭐️⭐️
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Dies
ist der zweite Fall für die zierliche Deutschchinesin Dr. Sabine Yao.
Sie ist stellvertretende Leiterin der Rechtsmedizin beim Berliner BKA.
Ihr Vorgesetzter Prof. Paul Herzfeld und sie arbeiten zusammen bei der
Spezialeinheit »Extremdelikte«. Bei diesem Rechtsmedizin-Thriller
handelt es sich um die fiktionale Erzählung eines echten Kriminalfalls.
Wir
erfahren zunächst von zwei entstellten Toten, die im Wald an einem
Gestell ähnlich einem Galgen hängen. Außerdem wird von einem Einsatz
eines SEK-Kommandos berichtet, das irrtümlich in eine falsche Wohnung
eindringt und ein altes Rentnerehepaar zu Tode erschreckt. Später im
weiteren Lauf steht bei der Spezialeinheit »Extremdelikte« der Tod des
ehemaligen Polizeipräsidenten von München auf der Tagesordnung. Was hat
das mit dem eigentlichen Fall zu tun, gibt es überhaupt Zusammenhänge?
Werden wir mehr darüber erfahren?
Hier soll wohl die Arbeit der
Rechtsmedizin thematisiert werden. Der Autor lässt uns wieder einen
ausführlichen Blick hinter die Kulissen der Rechtsmedizin werfen, in
vielen Fällen für mein Empfinden zu ausführlich, was zu einem
Spannungsabfall führt (Bsp.: detaillierte Beschreibung von Sabine Yao,
wie und warum eine Tür zum Sektionssaal so und nicht anders geöffnet
wird). Spannung kommt erst seit gefühlten 130 Seiten auf – zu wenig für
einen Thriller.
Bei dem Fall, um den es hier geht, ist ein
kleiner Junge aus der High-Deck-Siedlung in Berlin-Neukölln
verschwunden. Berlins schlimmste Siedlung entstand in den 1970er und
1980er Jahren im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus und ist ein
Brennpunkt. Der achtjährige Yasser Khaleb lebt dort zusammen mit seiner
Mutter, offensichtlich sind sie nicht gemeldet bei den Behörden. Deshalb
beauftragt Yassers Mutter den jordanischen Ex-Geheimdienstler Hassan
Khalaf mit der Suche nach ihrem verschwundenen Sohn. Wie es zu diesem
Kontakt kam, bleibt ungewiss.
Als Hassans Nachforschungen mehr oder weniger ins Leere laufen, beauftragt er Yassers Mutter, die Polizei einzuschalten.
Es wird deutlich, dass Tsokos Wert
darauflegt, seine Figuren präzise zu beschreiben. Für ihn ist Hassan
Khalaf ein arroganter und überheblicher Einzelgänger. Er hat keine
Familie, das würde ihn verletzlich und angreifbar machen. Die
Darstellung des skurrilen Rechtsmediziners Oberarzt Dr. Martin Scherz
hat mir gefallen. Das Verhältnis zwischen Sabine Yao und ihrer Schwester
Mailin kommt wie im ersten Band zur Sprache. Mailin ist weiterhin sehr
labil und hatte schon einmal Alkoholexzesse, Wutausbrüche,
autoaggressives Verhalten mit Verletzungen bis hin zu einem
Suizidversuch.
Aber muss man Charakteren wiederholt Adjektive wie
die »italienischstämmige Ermittlerin« (Kommissarin Monica Monti) oder
der »ehemalige jordanische Geheimdienstler« (Hassan Khalef) zuordnen?
Das ist nervig.
Wir bekommen einen Einblick in die vielfältigen
Aufgaben der Kriminalistik und der Kriminologie. Sei es aus dem Bereich
der Rechtsmedizin, der filigranen Arbeit im Sektionssaal, der
Lageeinsatzbesprechung der Kriminalpolizei oder der operativen
Fallanalyse. Das ist zwar interessant, lässt aber weniger Spielraum für
Thrillersequenzen.
Was ist der Modus Operandi? Das wurde zum Ende hin kurz angerissen. Auch die anfangs erwähnten Fälle werden noch einmal aufgegriffen, um sie aber schnell abzuhandeln.
Dass mit Prof. Dr. Michael Tsokos eine Koryphäe auf dem Gebiet der Rechtsmedizin schreibt, ist unverkennbar. Bei einem Thriller erwarte ich allerdings mehr Spannungsmomente zum eigentlichen Fall.
Die Kapitel sind mit wenigen Ausnahmen kurzgehalten und enden mit einem Cliffhanger, um im folgenden Kapitel unmittelbar eine Fortsetzung zu finden. Die Kapitel bestehen aus zwei Handlungssträngen, die zum Ende hin zusammengeführt werden. Plot-Twists gab es allerdings so gut wie keine.
Mit dem Begriff »Kalkül« im Titel kann ich nicht viel anfangen. Wo und durch wen liegt hier die Berechnung?
Dieses Buch fällt ab gegenüber dem ersten Band »Mit kalter Präzision« und konnte mich nicht überzeugen. Um es auf den Punkt zu bringen: Zu wenig Thriller, zu viel Rechtsmedizin. Ich vergebe daher nur 3 Sterne.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen