Über die Autorin
Ariel Lawhon ist eine von der Kritik gefeierte New York Times-Bestsellerautorin. Ihre Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und vorgestellt von Library Reads, One Book One County, Indie Next, Costco, Amazon Spotlight und Book of the Month Club.
Sie lebt in den sanften Hügeln außerhalb von Nashville, Tennessee, mit ihrem Ehemann und vier Söhnen. Ariel teilt ihre Zeit zwischen Supermärkten und Baseballfeld auf.
(Schutzumschlag © Adrian & Wimmelbuchverlag GmbH Berlin, 2024)
Der gefrorene Fluss
Kategorie: Historischer Roman – USA (Maine, Oxford)
Erstausgabe: Gebunden (11/24; 560 S.)
Schlagworte: Eingeschränkte Frauenrechte, Tagebuch, Vergewaltigung, Patriarchat
Meine Bewertung: ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️/5
In diesem historischen Roman von Ariel Lawhon werden sowohl fiktive als auch reale Begebenheiten fein miteinander verwoben. Sie gewährt dem Leser bzw. der Leserin einen eindrucksvollen Einblick in eine Zeit von vor über 200 Jahren. Es ist unverkennbar, dass die Autorin viel Recherchearbeit in dieses Buch gesteckt hat.
Ein Leben für die Familie und den Beruf
Wir erfahren über das Leben von einer Hebamme und Heilerin, die Ende des 18. Jahrhunderts im US-Bundesstaat Maine gelebt hat. Martha Ballard erzählt sie aus ihrer Perspektive. Sie ist vierundfünfzig Jahre alt und seit fünfunddreißig Jahren mit Ephraim verheiratet. Sie hat in dieser Zeit neun Kinder geboren, wovon sechs überlebt haben. Drei ihrer Kinder starben an Diphterie. Eine Krankheit, die auch der »Würgeengel der Kinder« genannt wurde. Liebe, Zusammenhalt, Verständnis füreinander aber auch für andere Personen kommen immer wieder zum Ausdruck.
In verschiedenen Rückblenden über mehrere Jahrzehnte verteilt, erfahren wir mehr über das Leben der Ballards. Fünf ihrer sechs Kinder leben noch zu Hause. Lucy, die älteste Tochter ist ausgezogen. Sie ist verheiratet und hat schon sieben Kinder. Ihr Sohn Cyrus kann nicht sprechen und verständigt sich mit Zeichensprache oder macht Notizen auf einem Zettel. Martha hängt in ihren Gedanken immer wieder dem eigenen Ende nach.
Ein eiskalter Winter
Die Geschichte wird verteilt über sechs harte Wintermonate von November bis April, beginnend im Jahr 1789 erzählt. Ein eiskalter November führt dazu, dass der Kennebec River schnell zufriert. Man entdeckt die Leiche eines Mannes im Fluss. Nach der Bergung wird Martha Ballard gerufen, um die Todesursache festzustellen. Für sie ist schnell klar, dass es sich um Mord handelt. Eindeutige Strangulationsmerkmale am Hals deuten auf Erhängen hin. Doch der neue Arzt in der Kleinstadt Hallowell, Dr. Benjamin Page, geht von einem Unfalltod aus. Es wird weder ein Seil noch ein Strick gefunden, der Marthas These bestätigen würde. So leicht gibt sie aber nicht auf und will beweisen, dass sie Recht hat.
Eine junge Frau wurde vergewaltigt und aus Scham möchte sie zunächst nicht darüber sprechen. Mit ihrer einfühlsamen Art gelingt es Martha jedoch, dass die Frau sich ihr gegenüber öffnet. Sie erfährt, dass es sich bei dem Vergewaltiger um den Mann handelt, der jetzt tot aus dem Fluss geborgen wurde.
Lesen und Schreiben – ein Privileg
Von ihrem Mann hat sie Lesen und Schreiben gelernt. Die Rechte der Frauen sind sehr stark eingeschränkt, aber ihre Arbeit ermöglicht Martha eine besondere Stellung in der Gesellschaft. Feder, Tinte und ein Tagebuch, in dem sie ihre Arbeiten als Hebamme und Heilerin niederschreibt, sind ihre ständigen Begleiter. Manchmal teilt sie dem Leser/der Leserin mit, was sie im Tagebuch niedergeschrieben hat (Passagen im Buch kursiv geschrieben).
Bildgewaltige Figurenzeichnung
Die Figur der Martha Ballard wird bildgewaltig beschrieben. Sie ist eine Frau am Rande der gehobenen Gesellschaft, die sich weigert, aufgrund ihres Standes die ihr zugedachte traditionelle Rolle zu akzeptieren. Ihre Arbeit als Hebamme und Heilerin hilft ihr dabei, diese Barrieren zu durchbrechen. Sie führt einen ständigen Kampf für Gerechtigkeit und die Gleichberechtigung von Frauen. Aber auch unter den weiteren Personen kann man sich etwas vorstellen. Das beinhaltet auch die nicht so prominenten Figuren in diesem Buch.
Das Buch besticht durch ein überzeugendes Setting. Die Kapitel sind nicht übermäßig lang und werden immer mit dem Ort der Handlung überschrieben. Manchmal wird einem Kapitel ein Shakespeare-Zitat vorangestellt, um auf die folgenden Ereignisse hinzuweisen.
Fazit
Die Handlung ist teils kriminalistisch, aber auch gesellschaftskritisch. Dabei steht ein mögliches Verbrechen und dessen Aufklärung nicht unbedingt im Mittelpunkt. Das Buch kommt ohne große Action und reißerische Aufmachung aus. Trotzdem gelingt es Lawhon von Beginn an, Spannung aufzubauen, die bis zum Ende anhält.
Man könnte den Inhalt des Buches als eine »biografische Fiktion« bezeichnen. Auch wenn das Nachwort über mehrere Seiten geht, sollte man es lesen. Es beinhaltet sehr viel Wissenswertes in Bezug auf diese Geschichte. Liebhaber von historischen Romanen werden hier voll auf ihre Kosten kommen. Das Buch ist sehr zu empfehlen.