Montag, 24. März 2025

Cavanagh, Steve – Die Komplizin (E. Flynn, 7)

Über den Autor

Steve Cavanagh wuchs in Belfast auf und zog mit 18 Jahren nach Dublin, wo er Jura studierte.
Er arbeitete als Tellerwäscher, Türsteher, für einen Sicherheitsdienst und als Call-Center-Agent, bevor er einen Job bei einer großen Anwaltskanzlei in Belfast ergatterte.
In seiner irischen Heimat machte sich Steve Cavanagh als erfolgreicher Bürgerrechtsanwalt einen Namen und war in zahlreiche prominente Fälle involviert.
Mittlerweile konzentriert er sich ganz auf seine Arbeit als Autor, nachdem ihn seine Thrillerserie um Eddie Flynn zu einem der erfolgreichsten internationalen Spannungsautoren gemacht hat.
(Klappentext © 2025 Goldmann Verlag)


Die Komplizin


Kategorie: Thriller – USA, New York
Erstausgabe: Paperback mit Klappentext (02/25; 480 S.)
Schlagworte: Serienmörder, Sand, Strafverteidiger, Kreuzverhör
Meine Bewertung: ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️/5


Fortsetzung der Kultreihe

Dies ist bereits der siebte Justizthriller des irischen Schriftstellers Steve Cavanagh. Er ist ein Meister der Erzählkunst. Das fällt schon beim Einstieg in diesen Thriller auf. Er überrascht immer wieder mit neuen Ideen und häufigen Perspektivwechseln. Cavanaghs Bücher machen süchtig. Er schreibt einfach in einer anderen Liga.

Der »Sandmann«

In diesem Fall geht es um einen Serienmörder, der ganz New York in Angst und Schrecken versetzt. 17 Opfer gehen mittlerweile auf sein Konto. Der »Sandmann«, wie er sich selbst nennt, entfernt nach den Morden die Augen seiner Opfer und füllt die leeren Augenhöhlen und Münder mit Sand. Die Augen nimmt er mit. Was steckt dahinter? Einer Legende folgend soll der Sand sicherstellen, dass die Opfer nie mehr aufwachen und mögliche Spuren verwischt werden.

Die Psyche eines Serienmörders ist komplex. Diese Menschen sind oft von Selbstverachtung getriebene Narzissten. Sie sind in der Lage, ein Doppelleben zu führen: Auf der einen Seite ein Mörder, der wahllos seine Opfer aussucht und Lust zum Töten hat. Auf der anderen Seite ist so jemand in der Lage, einem geliebten Menschen nahe zu stehen.


Komplizin oder unschuldig

Das FBI fahndet fieberhaft nach dem Mörder. Es gibt keine Verbindungen zwischen den Opfern. Es handelt sich überwiegend um alleinstehende Personen, Männer wie Frauen. Bei der Hausdurchsuchung des mutmaßlichen Mörders findet man stichhaltige Indizien, die seine Frau Carrie schwer belasten. Ein Jahr danach steht sie als Komplizin des »Sandmanns« vor Gericht.

Carrie hat ein Tagebuch geführt, das später dem Gericht als Beweisstück vorliegt. Auszugsweise erfährt man in fünf verschiedenen Passagen aus ihren Aufzeichnungen, wie sie den »Sandmann« nahezu vergöttert. Sie schreibt auch über die Morde und den Schmuck, den ihr der »Sandmann« geschenkt hat. Gleiche Schmuckstücke von den Opfern sind verschwunden. Sie sieht keine Verbindung darin. Ist sie so naiv oder verbirgt sie etwas?


Das Team

Eddie Flynn und sein »Ermittlerteam« übernehmen die Verteidigung von Carrie, da sie von ihrer Unschuld überzeugt sind. Flynn tritt im Gegensatz zu den anderen Figuren als Ich-Erzähler in Erscheinung. Außer Flynn ist sein bewährtes Team wieder mit dabei, die wir schon in den vorhergehenden Fällen kennengelernt haben: seiner Kanzleipartnerin Kate Brooks, dem Richter Harry Ford a.D. und der ehemaligen Polizistin Melissa Bloch. Sie alle könnten vom Charakter her nicht unterschiedlicher sein, aber funktionieren miteinander äußerst effektiv.

Melissa erhält bei ihren Ermittlungen dieses Mal Unterstützung von Gabriel Lake. Er ist schwer durchschaubar und verfolgt ganz eigene Ziele. Eigentlich ist er ein Killer, der die aufgespürten Mörder an Ort und Stelle richten möchte. Das hat dem ehemaligen Polizisten auch den Job gekostet. Die Figur bringt frischen Wind ins Team. Man darf gespannt sein, ob er in folgenden Bänden der Reihe wieder mit von der Partie ist.

An die dunkle Vergangenheit von Eddie als Taschendieb wird auch wieder erinnert, als er Unterstützung von Jimmy »The Hat« Fellini bekommt. Mit dem Mafiaboss ist Eddie befreundet, seit sich einmal ihre Wege gekreuzt haben.

Die Sympathien liegen aber eindeutig auf der Seite von Flynn und seinem Ermittlerteam. Im Gegensatz dazu steht der »Sandmann«, der gesuchte Serienmörder. Dieses »Monster« hasst man für seine abartigen Taten. Diese Stimmungen hat Cavanagh sehr gut eingefangen.


Nicht nur ein Justizthriller

Man erfährt wieder einiges über das amerikanische Justizsystem und wie u.a. die Verteidigung eines Mandanten aufgebaut ist. Bei einem Kreuzverhör gibt es mögliche Angriffsflächen, wie man die Glaubwürdigkeit eines Zeugen des Staatsanwalts in Zweifel ziehen kann. Diese wendet Flynn meisterhaft an in diesem Prozess, um die Aussagen der Zeugen der Anklage zu entkräften.

Trotzdem ist dieses Buch kein ausgesprochener Justizthriller. Es gibt zwar Szenen vor Gericht, aber der Schwerpunkt liegt auf den Ermittlungen zu den Taten. Aber das wertet diesen clever und temporeich konstruierten Thriller keineswegs ab.


Fazit

Der Schreibstil ist flott, temporeich und leicht verständlich. Es kommt keine Langatmigkeit beim Lesen auf. Die Kapitel sind meistens kurzgehalten. Sie sind aus der Sicht der jeweiligen Person, um die es geht, mit deren Namen überschrieben.
Cavanagh versteht es, die Spannung am Kapitelende auf die Spitze zu treiben, und es dann mit einem Cliffhanger enden zu lassen.
Es gibt Passagen zum Schmunzeln, was zu bester Unterhaltung führt.
Plot-Twists und eine unerwartete Auflösung heben den Thriller noch einmal auf einen höheren Level. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung für diesen Pageturner.


Donnerstag, 13. März 2025

Schönberger, Jonas – Genesis

Über den Autor

Jonas Schönberger, geboren 1998 in Kempten, veröffentlichte 2019 mit »Das Prager Trauma« seinen ersten Roman. Nach »Engel über Berlin« 2021 folgt nun sein drittes Buch.
Schönberger ist Gründungsmitglied bei 1iOLabs, einem Tech-Startup das sich für eine faire, sichere und nachhaltige Zukunft in der digitalen Welt einsetzt.
(Schutzumschlag © BoD – Books on Demand, 2024)


Genesis


Kategorie: Thriller – Weltweit
Erstausgabe: Gebundenes Buch (11/24; 590 S.); Taschenbuch (11/24; 468 S.)
Themen u.a.: Digitalisierung, Datenmissbrauch, Spionage, Terrorismus
Meine Bewertung: ⭐️⭐️⭐️/5


Der Autor

Als mich Jonas Schönberger gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, seinen Thriller zu lesen und zu rezensieren, musste ich nachdenken. Ein Tech-Thriller hat bisher noch nicht mein Interesse geweckt. Aber da meine Neugierde überwog, habe ich zugestimmt.

Es ist unglaublich und beängstigend, wie man die Privatsphäre von Menschen infiltrieren kann. Über all diese Gefahren, Hintergründe und mögliche Lösungen schreibt der Autor in seinem sowohl fiktiven als auch visionären Thriller. Er greift hier ein sehr aktuelles und brisantes Thema auf.


Ein Containerschiff mit brisanter Ladung

Das Buch ist in drei Teile untergliedert. Teil 1 ist überwiegend dynamisch und spannungsgeladen geschrieben. Die Kapitel sind kurzgehalten. In diesem Teil legt der Autor das Augenmerk auf ein Containerschiff im nordöstlichen Pazifik. Die gesamte Steuerung der SLS Tokio wird blockiert, was zur Folge hat, dass das Schiff manövrierunfähig ist. Terroristen kapern das Schiff und bringen es in ihre Gewalt.

Sie haben es auf die Ladung abgesehen. Die SLS Tokio ist kein gewöhnliches Containerschiff, sondern ein schwimmendes Rechenzentrum mit riesigen Datenmengen. Aber warum ist ein Containerschiff mit einer solch brisanten Ladung an Bord unterwegs?

Verschiedene komplexe Handlungsstränge sorgen für Verwirrung, da sie scheinbar parallel zueinander laufen, ohne dass man einen Zusammenhang erkennen kann. Häufig wechseln sowohl die Handlungsorte, die Zeiträume und die Perspektiven.


Die Idee und was dahintersteckt

Der zweite Teil ist längst nicht so dynamisch einhergehend mit einem Spannungsabfall. Hier geht es schwerpunktmäßig um drei junge Studenten, die in einer Eliteuniversität in Montreux in der Schweiz studieren. Der hochintelligente amerikanische Student Adam Volt mit einem leichten Asperger-Syndrom erkennt die Gefahr der Cyberkriminalität und will eine Technologie zur Datenhaltung in dezentral verteilten Netzwerken entwickeln. Diese sogenannte Blockchain ist eine Kette, in der die einzelnen Datenblöcke aneinandergereiht werden. Der erste Block in der Kette ist der sogenannte Genesis-Block. Vieles in diesem Teil ist überaus technisch und abstrakt.

Adam Volt weiht seine Kommilitonen Junichiro Hisoka und Vadim Orlov ein und bittet sie um Unterstützung, da er für Testzwecke mehr Rechenleistung benötigt. Das stellt sich allerdings im weiteren Verlauf als eine toxische Verbindung heraus. Denn sowohl der Vater des Japaners als auch der Onkel des Russen verfolgen andere Ziele, da sie Kenntnisse von den gestohlenen Daten haben. Kazumasa Hisoka leitet ein großes Softwareunternehmen und Dimitri Orlov möchte mit unsauberen Methoden an möglichst viel Kapital gelangen. Sie haben kein Interesse an einem Programm
für Datensicherheit.


Was ist mit der SLS Tokio passiert

Der dritte Teil befasst sich u.a. mit der Vorgeschichte zur feindlichen Übernahme der SLS Tokio, die wir in Teil 1 erfahren haben. Es kommt zu heftigen Kämpfen zwischen den Terroristen und der Besatzung, in deren weiterem Verlauf die SLS Tokio samt Besatzung sinkt, es gibt keine Überlebenden. Zuvor hat man die Daten auf Server außerhalb des Schiffes übertragen.

Die gestohlenen Daten werden meistbietend an Broker versteigert. Dazu werden insgesamt 20 Datenpakete geschnürt, die Millionenerträge einbringen. Es geht darum, radikale und weltweite Veränderungen im digitalen Bereich, in der Politik, der Wirtschaft, der Gesellschaft und den Medien zu erzielen. Des Weiteren ist dieser Teil von wilden Verfolgungsjagden geprägt.


Fazit

Ein solch umfangreiches Werk mit 586 Seiten und in einem sehr kleinen Schriftsatz verfasst, stellt beim Lesen eine Herausforderung dar. Man kann es nur erahnen, welch immenser Zeitaufwand und Recherche in diesem Werk steckt.
Diesen Tech-Thriller, der Kreise bis in die Politik zieht, kann man durchaus als eine dystopische Erzählung wahrnehmen. Hier wird eine nicht wünschenswerte Gesellschaftsordnung dargestellt, die so hoffentlich nie eintritt.
Zu viele Figuren mit unterschiedlichen Perspektiven wurden in die Handlung gepackt, was das Buch unübersichtlich erscheinen lässt. Hier wäre weniger mehr gewesen. Alles in allem konnte mich das Setting nicht ganz überzeugen.