Montag, 23. September 2024

Raabe, Marc – Die Dämmerung

Über den Autor

Marc Raabe hat eine TV- und Medienproduktion aufgebaut, bevor er sich 2021 für ein Leben als Autor entschied. Zu diesem Zeitpunkt begann er mit der Art Mayer-Serie. »Der Morgen« gilt als der erfolgreichste Serienstart 2023. Raabes Handwerkszeug sind filmisches Erzählen, Schnitttechniken, Cliffhanger und Psychologie. Das Ergebnis: ein rasantes Kopfkino mit Tiefe. So wie seine Ermittlerfiguren bricht auch Raabe hin und wieder die Regeln. Seine Thriller sind Bestseller und erscheinen in über zehn Ländern.
(Klappentext © Ullstein Buchverlage Berlin, 2024)


Die Dämmerung

Ausgabe: Paperback mit schwarzem Seitenschnitt und Klappentext (03/24; 512 S.)

Meine Bewertung: ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️


Die verlorenen Kinder

Im Königswalder Forst bei Potsdam entdeckt eine junge Jägerin eine weibliche Leiche, die grausam ermordet wurde. Sie ist nackt an einen Baum gebunden und über ihrem Kopf thront ein Hirschgeweih. Bei der Frau handelt es sich um die Charity Lady Charlotte Tempel. Wenig später stirbt eine zweite Frau. Beide Morde weisen das gleiche Muster auf. Dieses Mal handelt es sich um die Journalistin und Moderatorin Wencke de Fries. Beide waren für einen Medienpreis in Form eines Hirsches nominiert.

Liegt auf der geplanten Preisverleihung eines großen Medienkonzerns ein Fluch oder steckt ein gestörter Mörder dahinter, der sich für etwas rächen will? Die Polizei kann zunächst weder ein Motiv noch einen Zusammenhang bei den beiden Morden entdecken.

Nach dem ersten Mord gerät Tempels 21-jährige Tochter Leo schnell in den Fokus der Ermittlungen. Sie ist Umweltaktivistin, rebellisch und gewaltbereit soweit es um die Sache geht, lügt und verschweigt Dinge gegenüber der Polizei, die der Aufklärung dienen könnten. Diese Figur hat der Autor sehr facettenreich und überzeugend angelegt.

Das ungleiche Ermittlerduo Artur (Art) Mayer und die junge Kommissar-Anwärterin Nele Tschaikowski sollen die Mordfälle aufklären. Beide kennen wir schon aus ihrem ersten gemeinsamen Fall in »Der Morgen«. Die Figuren von Mayer und Tschaikowski sind sehr vielschichtig und könnten nicht unterschiedlicher sein. Gerade das macht die Beiden interessant und schwer zu charakterisieren.

Art Mayer ist bekannt dafür, die Ermittlungen nach seinen Vorstellungen zu leiten, wenn dies auch nicht den Dienstvorschriften entspricht. Er hat eine raue Schale, aber einen weichen Kern. Der kommt immer zum Vorschein, wenn er sich rührend um die siebenjährige Milla kümmert. Sie wohnt im gleichen Haus wie Art bei ihrer dementen Großmutter. Der Vater hat sich abgesetzt und die Mutter ist verschwunden.

Nele Tschaikowski ist die Nichte von Polizeipräsident Kauder. Sie ist in psychologischer Behandlung, weil sie das Trauma aus dem letzten Fall noch nicht verarbeitet hat. Sie ist im achten Monat schwanger. Ihr Freund Roman Hoff bedrängt sie, ihre Arbeit aufzugeben. Sie ist sich auch nicht sicher, ob sie das Kind nach der Geburt behalten möchte. Vieles ist inzwischen von ihrer Selbstsicherheit verloren gegangen.

Die Form der Ich-Erzählweise kannte man bisher bei Raabe noch nicht. Die hat er in einer Parallelhandlung um einige Jahre zurückliegend zu den aktuellen Fällen beschrieben. Auf einer Audiokassette erzählt Bell ihre Geschichte aus der Vergangenheit. Außerdem ist von einem Bo die Rede. Lange lässt der Autor im Unklaren, wer sich hinter dem jungen Paar in Wirklichkeit verbirgt. Dies ist ein zusätzlicher Spannungseffekt, der Raabe gut gelungen ist.

Bei diesem Thriller fällt auf, dass der Höhepunkt mit der Überführung des Täters nicht am Ende, sondern schon einige Kapitel zuvor stattfindet. Danach erfolgt die Aufarbeitung, wofür sich der Autor ausreichend Zeit nimmt. Spannend bleibt es trotzdem, weil es noch einige Überraschungen gibt und die Handlungsstränge dabei übersichtlich zusammengeführt werden.

Das am Ende einige Fragen offenbleiben, weckt das Interesse des Lesers. Diese Cliffhanger werden hoffentlich im dritten Band der Art-Mayer Serie »Die Nacht« aufgelöst, der Ende März nächsten Jahres erscheinen soll.

 

Fazit:

Wie schon in seiner Tom Babylon-Serie greift Raabe manchmal auf Rückblenden zurück. In diesem Thriller aus Band 1 »Der Morgen«. Trotzdem kann man dieses Buch ohne Vorkenntnisse lesen.
Das »Für« und »Wider« über Klimaaktivismus kommt in dem neuen Raabe vor. Ein Deepfake zu einer Pressekonferenz taucht als Video auf, dass mittels KI erzeugt wurde. Damit orientiert sich der Autor an aktuellen Themen.
Einmal mehr hat Raabe mit diesem Thriller seine Klasse bewiesen. Der Plot mit unzähligen Twists versetzt den Leser lange in Unkenntnis über die wahren Hintergründe und die Verbindungen zwischen den verschiedenen Handlungssträngen. Das Setting ist absolut überzeugend. Fünf Sterne halte ich daher für angebracht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen